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Die Reeder suchen das Weite

Von WZ-Korrespondent Gerd Höhler

Politik
Die Reeder treiben ihre Geschäfte weiter mit voller Kraft voran.
© Stuart Westmorlnad/Corbis

Den Schiffseignern in Griechenland hat die Krise nichts anhaben können. Nun werden höhere Steuern für sie gefordert. Doch das droht eher für den Staat ein Verlustgeschäft zu werden.


Athen. (n-ost) Die Seefahrt hat in Griechenland eine lange Tradition, die aus der Antike bis in die Moderne reicht. Männer wie Aristoteles Onassis waren schon zu Lebzeiten Legenden. Die Reeder gelten als Inbegriff des erfolgreichen Unternehmertums, und viele Griechen sind stolz auf sie. Aber sind die Reeder umgekehrt auch gute Patrioten?

Die griechische Regierung müsse die superreichen Tycoons zur Kasse bitten und ihnen Steuern abknöpfen, bevor sie um neue Hilfskredite der europäischen Steuerzahler bettelt - so eine in Europa häufig zu hörende Forderung. Das klingt gut. Nur: Die Realität ist etwas komplizierter. Viele Steuerparadiese werben gezielt um die griechischen Reeder. Erhöht der griechische Finanzminister tatsächlich die Steuern, würde er am Ende wohl weniger statt mehr einnehmen.

Das Geschäftfloriert

Die griechischen Reeder kontrollieren aktuell eine Flotte von 4909 Schiffen - 202 mehr als noch im Jahr zuvor. Damit ist Griechenland die weltgrößte Schifffahrtsnation, gefolgt von Japan, China und Deutschland. Die Krise, unter der das Land leidet, hat den Reedern nicht viel anhaben können. Während die Wirtschaftsleistung Griechenlands seit 2009 um fast ein Viertel schrumpfte, wuchs die Gesamttonnage der griechischen Handelsflotte von 237 auf 326 Millionen Tonnen. Das entspricht fast einem Fünftel der globalen maritimen Transportkapazität. Fast 400 neue Schiffe haben die griechischen Reeder derzeit bei Werften in Auftrag.

Der Finanzminister bekommt allerdings fast nichts von den offenbar gut sprudelnden Einnahmen der Reeder ab. Denn nicht die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne werden versteuert. Die Abgaben werden vielmehr nach der so genannten Tonnagegewinnermittlung berechnet. Grundlage für die Ermittlung der Steuern ist die Größe eines Schiffes, nicht der tatsächlich damit erzielte Gewinn.

Für die Reeder ist das günstig. So zahlt etwa der Besitzer eines Frachtschiffs mittlerer Größe in Griechenland rund 45.000 Euro Tonnagesteuer. In den USA, wo die tatsächlichen Gewinne besteuert werden, könnten nach Schätzungen aus Branchenkreisen für dasselbe Schiff etwa 3,5 Millionen Dollar fällig werden.

Mit der Tonnagesteuer wollte Athen nach dem Zweiten Weltkrieg die Reeder entlasten, um den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Handelsflotte zu fördern. Mittlerweile wurde sie in das griechische Grundgesetz übernommen. Weil Verfassungsänderungen in Griechenland kompliziert sind und mehrere Jahre in Anspruch nehmen, ist an eine rasche Reform nicht zu denken.

Niedrige Steuer durchausüblich in der EU

Allerdings: 14 EU-Länder haben ebenfalls eine Tonnagesteuer, darunter auch Deutschland, das sie 1998 einführte - "zur Stärkung des Schifffahrtstandortes", wie die damalige Regierung erklärte. Griechische Reeder zahlen also in der Regel nicht weniger Steuern als ihre Kollegen in Hamburg oder Rotterdam.

In den Verhandlungen über das neue Rettungspaket, das im vergangenen Sommer geschnürt wurde, musste der griechische Premier Alexis Tsipras den Geldgebern versprechen, die Reeder stärker zu besteuern. Bisher hat er das nicht umgesetzt, und er wird es wohl auch nicht tun - weil die Reeder dann in andere Länder abwandern würden.

Dann würden nicht nur die Steuereinnahmen zurückgehen, sondern auch viele Arbeitsplätze der Schifffahrtsbranche ins Ausland verlagert. Nach Angaben der griechischen Zentralbank brachte die Handelsschifffahrt im vergangenen Jahr rund 15 Milliarden Dollar ins Land und trug etwa sieben Prozent zum BIP bei.

Unter dem wachsenden Druck hat sich der Reederverband im vergangenen Jahr bereiterklärt, die Tonnagesteuer zu verdoppeln. Mehr wollen die Reeder allerdings nicht berappen. Auf die Debatte über weitere Steuererhöhungen reagieren sie allergisch. Der Exodus hat bereits begonnen: Mindestens 42 Reedereien sind seit Beginn dieses Jahres aus Piräus und Athen nach Zypern umgezogen. Der Inselstaat lockt mit niedrigeren Steuern. London ist ebenfalls als Firmensitz zunehmend gefragt. Auch Dubai stellte bei einer Veranstaltung in Athen seine Vorteile als Heimathafen heraus. Die Forderung der EU-Geldgeber, Griechenland müsse seine Reeder zur Kasse bitten, könnte sich also als Bumerang erweisen.