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Spanien steckt tief im Patt fest

Von Manuel Meyer

Politik

Nach den Parlamentswahlen spricht man in Madrid bereits von Neuwahlen. Mehrheit ist keine in Sicht, das Land droht unregierbar zu werden.


Madrid. Die Parlamentswahlen vor Weihnachten haben Spanien verändert. Korruption, Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit haben neue Protestparteien auf den Plan gerufen. Das Zwei-Parteien-System, in dem sich Konservative und Sozialisten seit vier Jahrzehnten an der Macht abwechselten, gehört der Vergangenheit an. Regierte eine der beiden Volksparteien normalerweise mit stabilen oder sogar absoluten Mehrheiten, ist nun eine Koalition erforderlich.

Dass die Regierungsverhandlungen für ihn schwer werden dürften, war Spaniens konservativem Premier Mariano Rajoy am Wahlabend klar. "Ich werde viel reden und verhandeln müssen", sagte der Politiker der Volkspartei (PP), die trotz erdrutschartiger Verluste Platz eins behaupten konnte. Doch mit solchen Widerständen hätte wohl selbst der sonst so realistische spanische Regierungschef kaum gerechnet. "Wir werden weder aktiv noch passiv zulassen, dass die PP künftig regiert", sagte Pablo Iglesias von der linken Protestpartei Podemos ("Wir können") am Montag nach einem zweistündigen Treffen mit Rajoy.

Mehrheit im Parlament nur mit Unterstützung der Separatisten

Die Absage war keine Überraschung. Schon während des Wahlkampfes erklärte Podemos, eine Schwesterpartei der griechischen Syriza, es zu ihren Prioritäten, die Konservativen von der Macht zu vertreiben. "Für Podemos sind Rajoy und seine Konservativen ein rotes Tuch. Sie empörten die Bevölkerung mit Korruptionsskandalen und drückten mit ihrer absoluten Mehrheit eine Sparpolitik durch, welche die Lebensbedingungen vieler Spanier in der Krise nur noch verschlechterte", erklärt der spanische Politologe Ángel Cazorla.

Doch auch Albert Rivera von der liberalen Protestpartei Ciudadanos (Bürger) wies eine Zusammenarbeit mit Rajoy zurück. Er möchte lieber eine "verantwortliche und dem Bürger nützliche Opposition betreiben", erklärte Spaniens neuer politischer Shooting-Star nach Gesprächen mit Rajoy. Für Rajoys Volkspartei wären die Ciudadanos der politisch affinste Partner. Aber auch dieses Bündnis bräuchte die Unterstützung separatistischer Regionalparteien - und Rajoy wie Rivera gehören zu den härtesten Gegnern jeglicher Separatisten in Spanien. Bereits vor Weihnachten hatte auch der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez (PSOE) abgelehnt, eine große Koalition mit dem konservativen Ministerpräsidenten einzugehen. Es wäre die einzige Zweiparteien-Allianz mit einer ausreichenden Mehrheit im Parlament. Große Koalitionen gab es noch niemals in Spanien. Zu sehr hat auch das Zwei-Parteien-System die beiden Volksparteien gegeneinander aufgewiegelt.

Sánchez möchte ähnlich wie in Portugal ein Mitte-Links-Bündnis gegen die starke konservative Volkspartei bilden. Leichter als Rajoy hat es der 43-jährige Sozialistenführer dabei aber auch nicht. Am Montag machten ihm die sozialistischen "Barone" und Länderchefs bei einem Treffen unmissverständlich deutlich, er dürfe sich bei Koalitionsverhandlungen mit Podemos auf keinen Fall auf deren Forderungen über ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien einlassen.

Rajoy wirbt um Dreierkoalition mit einer "stabilen Mehrheit"

Doch selbst wenn Podemos auf das Referendum und seine unnachgiebige Haltung gegen die europäische Sparpolitik verzichten sollte, hätten die beiden Linksparteien immer noch keine Mehrheit. Sie bedürften der Unterstützung der Kommunisten und der baskischen oder katalanischen Nationalisten. Eine solche Allianz würde laut dem Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa schon bald eine politische und wirtschaftliche Katastrophe im griechischen Stil provozieren. Wie Vargas Llosa fürchten nicht wenige politische Beobachter die Unregierbarkeit der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone.

In einem Leitartikel der Zeitung "El País" forderte Vargas Llosa deshalb jüngst eine große Dreier-Koalition aus Konservativen, Sozialisten und Liberalen. Zum Wohl des Landes müssten sich diese "demokratischen und proeuropäischen" Parteien nach deutschem Vorbild zusammenraufen, ihre Streitigkeiten beilegen und eine große Koalition eingehen, meint der Schriftsteller.

Genau hier setzt nun auch Rajoy an. Am Dienstag reichte er Sozialisten und Liberalen die Hand, um eine "stabile Mehrheit" mit Parteien aufzubauen, die wie seine Volkspartei ein geeintes Spanien innerhalb der EU verteidigen. Doch stellte er auch klar: "Sollte dies nicht gelingen, müssen wir halt Neuwahlen stattfinden lassen." Und genau das dürfte passieren, sollte innerhalb von zwei Monaten keine Regierungsmehrheit gefunden werden.