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Ganz alltägliche Gewalt

Von Michael Schmölzer

Politik

Nach Übergriffen auf Frauen in deutschen Städten steigt der Hass auf Flüchtlinge. Seit Wochen wird Jagd auf Migranten gemacht.


Köln/Wien. Zahllose Deutsche fragen sich, ob sie nach den Vorfällen von Köln und Hamburg der Polizei noch trauen und wie sie ihre Frauen und Töchter künftig schützen können. Man greift zur Selbsthilfe, auf Facebook wurde eine Bürgerwehr gegründet, um potenziell gewalttätige Migranten abzuschrecken. Pfeffersprays finden schon seit längerem reißenden Absatz, Waffenhändler reiben sich zufrieden die Hände.

Parallel dazu erreicht die rassistische Hetze auf Twitter und Facebook einen neuen Höhepunkt. "Das Dreckspack an die Wand stellen und abknallen", heißt es hier, "das Mistvolk muss raus". "Wir brauchen wieder einen Politiker aus Österreich", von "Untermenschen" ist die Rede und davon, dass "dieser Dreck von unserem Stadtbild verschwinden" müsse.

In Düsseldorf hat sich via Facebook eine offiziell unpolitische Vereinigung gebildet, die formell schon 1000 Mitglieder hat und "unsere Damen beschützen" will. Gentlemen der alten Schule - an anderer Stelle wird folgende Befürchtung geäußert: "Schon bald werden die meist jungen und männlichen Kulturbereicherer sich das holen, was sie haben wollen - und zwar mit Waffengewalt."

Asylheime brennen

Dabei wird übersehen, dass der Krieg längst im Gange ist. Die Gewalt geht in erster Linie nicht von Migranten aus - sondern von denen, die sich zu den "echten Deutschen" zählen. Die Zahl der Attacken und Brandlegungen weist seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise im September steil nach oben, die Taten sind fast schon zur Normalität geworden. Im Wochentakt gehen Flüchtlingsunterkünfte in Flammen auf, Gruppen von Rechtsradikalen machen gezielt Jagd auf Ausländer. Syrer, die eben erst der Hölle des Bürgerkrieges entkommen sind, werden krankenhausreif geprügelt.

Die Fakten: Am 24. Dezember bricht in einer Flüchtlingsunterkunft im bayrischen Ort Wallerstein ein Brand aus, elf Menschen müssen in Sicherheit gebracht werden. Vier Tage vorher - das gleiche Bild in einer Asylwerber-Unterkunft in Tutow bei Mecklenburg. Ebenfalls am 20. 12. schlagen Flammen aus einer Flüchtlingsunterkunft auf der Ostseeinsel Rügen, 28 Migranten können sich retten. Am 15 November brennt auf der Ostseeinsel Usedom eine geplante Flüchtlingsunterkunft komplett aus, 15 Migranten können die bereitstehenden Wohnungen nicht beziehen.

Die Serie an offensichtlichen Brandlegungen durch Xenophobe ließe sich fortsetzen. Von Wohncontainern bis zu leer stehenden Hotels - wo Asylwerber wohnen oder wo die Errichtung eines Heimes geplant ist, ist die Chance groß, dass es brennt.

Die seit Wochen ungebrochene Serie spielt sich nicht nur Deutschland ab, auch in Schweden häufen sich derartige Vorfälle in beängstigendem Ausmaß. Betroffen sind Unterkünfte in Stockholm und im Westen des Landes. In einem Fall wurde zuerst ein Stein, dann ein Molotowcocktail durch ein Fenster geworfen. Die schwedischen Behörden erwägen, den Standort von Asylunterkünften geheim zu halten.

Zwanzig gegen zwei

Während die Migranten in diesen Fällen meist mit großem Schrecken und leichteren Rauchgasvergiftungen davonkommen - was sie danach von der deutschen "Willkommenkultur" denken, sei dahingestellt -, geht es auf Deutschlands Straßen weit härter zur Sache. "Die Gewalt gegen Asylsuchende erreicht einen neuen Höhepunkt", heißt es in einer Meldung der dpa vom 1. November 2015. Schauplatz ist der Osten. In Magdeburg hat ein Mob von "Unbekannten" zwei syrische Asylwerber mit Baseballschlägern angegriffen, die Opfer erlitten Prellungen und Verletzungen im Gesicht und mussten ins Spital. In Wismar, Mecklenburg, prügelten 20 Schläger zwei Syrer krankenhausreif. Die Schläger, die sich durch das Tragen von Kaputzen-Shirts unkenntlich gemacht haben "verschwanden in der Dunkelheit", heißt es in dem dpa-Text.

Schnittverletzungen im Gesicht hat ein Syrer in einen Asylantenheim in der Nähe von Dresden erlitten, als vor seinem Schlafzimmerfenster eine Sprengladung explodierte.

Deutschlands Rechtsradikale haben große Ziele, es geht um die Schaffung "National befreiter Zonen". Also darum, dass sich Ausländer, Linke, Juden und Homosexuelle wegen der gewalttätigen Übergriffe nicht mehr auf die Straße trauen. Machtbereiche außerhalb der demokratische Ordnung sollen geschaffen werden. Im Internet werden nach der Silvesternacht von Köln Gewaltphantansien immer offener ausgelebt, und es ist zu befürchten, dass den Worten bald Taten folgen.

Zu einer ersten gefährlichen Konfrontation kommt es schon an diesem Samstag. Die islamfeindliche Pegida-Bewegung hat zu einer Demonstration vor dem Kölner Hauptbahnhof aufgerufen. Die rechtsextreme NPD rief ihre Mitglieder auf, sich daran zu beteiligen. Die Gegenversammlung "Köln stellt sich quer" will die Rechten in Schach halten.