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Tsipras gerät in Bedrängnis

Von WZ-Korrespondent Gerd Höhler

Politik

Der Führungswechsel bei den Konservativen bringt die politische Szenerie Griechenlands in Bewegung. Bisher beherrschte der Links-Premier Alexis Tsipras die Bühne. Das könnte sich ändern.


Athen. (n-ost) Am Mittwoch reist Alexis Tsipras zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Es ist sein erster Auftritt dort, fast auf den Tag ein Jahr nach dem ersten Wahlsieg seines Linksbündnisses Syriza. Geplant sind Treffen mit Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds, US-Vizepräsident Joe Biden und dem deutschen Vizekanzler Sigmar Gabriel. Auch an einer Podiumsdiskussion mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will Tsipras teilnehmen.

Aber der griechische Premier fährt nicht unbeschwert in die Schweizer Berge. In Athen lässt er viele ungelöste Probleme zurück. Seine unpopulären Pläne zur Steuer- und Rentenreform treiben Demonstranten auf die Straßen und stoßen auch in der eigenen Partei auf Widerspruch. Die Verhandlungen mit den Gläubigervertretern, der früheren Troika, stocken, weil Athen mit den vereinbarten Reformschritten im Rückstand ist. Und nun kommt ein weiteres Problem hinzu: Die konservative Opposition hat einen neuen Führer. Der 47-jährige Kyriakos Mitsotakis gehört zum liberalen Flügel der Nea Dimokratia (ND), will die Partei zur Mitte öffnen und vor allem junge Wähler anziehen.

Konservative erstmals seit Mitte 2014 wieder vorne

Mitsotakis hat den Parteivorsitz erst vor einer Woche übernommen, aber schon einiges bewegt: In zwei Meinungsumfragen, die in der vergangenen Woche erhoben wurden, liegt die Nea Dimokratia bei der Sonntagsfrage mit fast vier Prozentpunkten Vorsprung vor dem Linksbündnis Syriza auf dem ersten Platz. Damit gehen die Konservativen erstmals seit Mitte 2014 in den Meinungsumfragen wieder in Führung.

Das muss noch kein nachhaltiger Trend sein. Vielleicht ist es nur ein Vertrauensvorschuss. Mehr als ein Fünftel der Wähler ist noch unentschieden. Überdies steht der neue Oppositionschef vor einem schwierigen Spagat: Er will Stimmen aus der Mitte des politischen Spektrums gewinnen, muss aber zugleich die konservative Stammwählerschaft bei der Stange halten.

Ob Mitsotakis diesen Balanceakt schafft und seine Partei einen kann, wird sich zeigen. Sicher aber ist: Tsipras bekommt in Mitsotakis einen ernst zu nehmenden Gegner. Das ist neu. Bisher bereitete ihm die konservative Opposition keine Kopfschmerzen. Nach den Wahlniederlagen vom Jänner und September 2015 war die ND mit sich selbst beschäftigt. Trotz gebrochener Wahlversprechen, neuer Sparprogramme, Bankenschließungen und Kapitalkontrollen war Tsipras die beherrschende Figur auf der politischen Bühne. So wurde er auch im Ausland wahrgenommen. Tsipras galt als alternativlos.

Politische Optionen von Tsipras verringern sich

Das könnte sich mit der Wahl von Mitsotakis zum Oppositionsführer ändern. Der in den USA ausgebildete Banker ist international hervorragend vernetzt und spricht, anders als Tsipras, drei Fremdsprachen fließend. Der Führungswechsel gibt den Konservativen den lange vermissten Rückenwind, wie die Umfragen zeigen. Tsipras kommt dadurch in Bedrängnis. Seine politischen Optionen verringern sich. Bisher konnte der Premier darauf spekulieren, für seine Rentenreform die Unterstützung kleinerer Oppositionsparteien der linken Mitte zu finden. Das ist jetzt unwahrscheinlicher geworden, weil diese Parteien fürchten müssen, Wähler an Mitsotakis zu verlieren, wenn sie zu Tsipras ins Boot steigen.

Offen ist, wie Tsipras auf die neue Lage reagieren wird. Er könnte versuchen, jetzt schnell Neuwahlen herbeizuführen, bevor der neue Oppositionschef richtig Tritt gefasst hat. In diese Richtung deutet eine für den 25. Jänner geplante Tsipras-Massenkundgebung in einer Athener Sportarena. In Kreisen der Regierungspartei spricht man bereits von einem "Marsch zum Volk".

Tsipras ist eine Spielernatur. Mit Neuwahlen riskiert er aber nicht nur seine eigene politische Zukunft. Ein weiterer Urnengang, der dritte seit etwas mehr als einem Jahr, würde das ohnehin in Verzug geratene Anpassungsprogramm endgültig aus dem Gleis werfen. Dass Griechenlands Geldgeber da mitspielen und weitere Hilfskredite überweisen, ist nicht zu erwarten.Seite25