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Bedroht und abgesondert

Von WZ-Korrespondent Tobias Müller

Politik

Homosexuelle Asylwerber werden in den Niederlanden getrennt untergebracht. Sie klagen über tägliche Diskriminierung durch andere Flüchtlinge.


Amsterdam. In den Niederlanden herrscht Streit über eine gesonderte Unterbringung von homo- und bisexuellen sowie Transgender- (LGBT) Flüchtlingen. Die Koalition aus der liberalen Partei VVD und der sozialdemokratischen PvdA weigert sich bislang, auf entsprechende Forderungen aus Politik und Gesellschaft einzugehen. Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) betont, Neuankömmlinge hätten sich von Anfang an an die niederländischen Normen und Werte zu halten und Minderheiten zu akzeptieren.

Tägliche Diskriminierung

Die Praxis allerdings sieht oftmals anders aus. Im Dezember etwa gingen in einer Unterkunft in Alphen aan de Rijn zehn Bewohner in Hungerstreik, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Kurz zuvor hatte die Tageszeitung "Het Parool" berichtet, in der Hauptstadt gebe es bereits seit September ein Angebot für Extra-Unterbringung. Zunächst wurden in Zusammenarbeit mit einem Wohnungsbauträger und der Heilsarmee fünf Flüchtlinge in einer eigenen Wohnung untergebracht. Drei davon kommen aus Syrien, jeweils einer aus dem Iran und dem Irak. Inzwischen sind zwei weitere Personen jenseits der Sammelunterkunft untergebracht. In einer neuen Unterkunft gibt es einen gesonderten Flügel für LGBT-Flüchtlinge.

Simone Kukenheim, die Amsterdamer Dezernentin für Diversität, begründet dies mit der "zusätzlichen Verletzbarkeit" von LGBT-Flüchtlingen. "Ich finde es wichtig, dass sie in einer sicheren Umgebung zur Ruhe kommen." Verschiedene Homosexuellen-Organisationen gingen zuletzt mit alarmierenden Berichten über Diskriminierung an die Öffentlichkeit. Danach würden homosexuelle Migranten in den Sammelunterkünften bedroht, bespuckt, beschimpft und aufgezogen. Befürchtet wird, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegt.

Hohe Wellen geschlagen hatte das Thema bereits im Oktober, als ein irakischer Flüchtling anonym und mit von der Kamera abgewandtem Gesicht in einer niederländischen Nachrichtensendung von täglicher Diskriminierung berichtete. Anschließend wurde er von Mitbewohnern, die ihn trotz der Anonymisierung im Fernsehen erkannten, bedroht.

"Mach schneller, Schwuchtel!"

Auch die November- Ausgabe des Magazins "Gay & Night" widmete sich dem Thema. Ein 19-jähriger Syrer berichtete dort vom Alltag in seiner Notunterkunft, zu dem Bedrohungen wie "Mach schneller, Schwuchtel, sonst schlag ich dich zusammen" gehören.

Während es im Parlament zahlreiche Stimmen für die Option safe houses gibt, vertritt die Regierung in Den Haag seit dem Herbst den Standpunkt, das eine getrennte Unterbringung nicht akzeptabel ist. "Zu stigmatisierend", begründete Staatssekretär Dijkhoff die Position der Regierung vor Wochen in einem Brief an das Parlament. Gerade eine gesonderte Unterkunft könnte zudem ein Ziel für Bedrohungen werden.

Ende des Jahres indes äußerte sich erstmals eine Ministerin positiv über den Amsterdamer Ansatz: Jet Bussemaker (PvdA), in deren Resort neben Bildung und Kultur auch Emanzipation fällt, wandte sich in einem Brief an 42 sogenannte "Regenbogenkommunen", die sich für die aktive Beförderung von Homo- und Bisexuellen sowie Transgenders aussprechen. Darin drückte sie ihre Sorge über die Bedrohung der Flüchtlinge aus und nannte das Beispiel Amsterdams "inspirierend".

Ein Sprecher Bussemakers betonte gegenüber Het Parool, auch die Ministerin fordere unabhängig davon Respekt für "niederländische Normen und Werte". In einer Reaktion des COC wird die Initiative Bussemakers begrüßt. Zugleich erneuert man die Aufforderung an die Kommunen, selbst mit Sonderunterkünften aktiv zu werden. Die Rotterdamer Sozialdemokraten haben sich zuletzt dafür ausgesprochen.

Aufklärung über LGBT-Rechte

Während die Diskussion um Unterbringung fortgeführt wird, hat die niederländische Regierung nun beschlossen, in Kürze in sämtlichen Flüchtlingsunterkünften über die Rechte Homosexueller zu informieren. Dazu will man Material aus weiterführenden Schulen verwenden.

Ministerin Bussemaker sagte der Zeitung Trouw: "Wir dürfen nicht naiv sein. Flüchtlinge kommen aus Ländern, wo die Rechte von Frauen nicht immer respektiert werden, wo Homosexuellen-Rechte nicht selbstverständlich sind. Wir machen deutlich, dass Diskriminierung nicht geduldet wird."