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Frühlingserwachen zwischen Nachbarn

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostyn

Politik

Präsident Fischer besucht am Montag Prag. Während es in der Atompolitik erneut Zwist gibt, | nähern sich Österreich und Tschechien in der Flüchtlingsfrage an.


Prag. Österreichs Botschafter in Tschechien, Alexander Grubmayr, ist zwar erst seit Februar in seinem Prager Amt. Der Staatsbesuch von Bundespräsident Heinz Fischer ist für den 51-jährigen promovierten Juristen aber ein Heimspiel. Denn bis zu seinem Wechsel an die Moldau war Grubmayr Fischers Protokollchef. "Ich freue mich sehr auf den Besuch", meinte Grubmayr in einem kurzen Vorabgespräch mit der "Wiener Zeitung". Die zweitägige Visite, die kommenden Montag beginnt, steht ganz im Zeichen des Frühlingserwachens zwischen Wien und Prag. Die Beziehungen seien ausgezeichnet, freut sich Diplomat Grubmayr. "Der tschechische Außenminister Zaoralek hat, denke ich, zu Recht von einer ‚Renaissance‘ gesprochen. Der Besuchsaustausch ist intensiv, die Breite der Zusammenarbeit groß", sagt Grubmayr.

Allein Fischers Anreise ist symbolträchtig. Statt mit dem Regierungsflieger reist der Präsident mit dem Zug nach Prag. Dass die Reise nur noch vier Stunden und elf Minuten dauert, seitdem im Dezember 2014 die Railjet-Verbindung Graz-Wien-Prag eingeweiht wurde, ist an sich schon ein Ergebnis der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit.

Symbolträchtig wird es aber auch nach der Ankunft Fischers weitergehen. Mit dem traditionsreichen Masaryk-Zug - er wurde dem ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomas Garrigue Masaryk 1930 zum 80. Geburtstag geschenkt - wird Fischer von Prag nach Lany fahren, der Sommerresidenz tschechischer Präsidenten. Erwarten wird ihn sein Gastgeber, der tschechische Präsident Milos Zeman, am Bahnhof. Genau dort hatte am 16. 12. 1919 Masaryk seinen ersten ausländischen Staatsbesuch nach dem Zerfall Österreich-Ungarns und der Gründung der Tschechoslowakei empfangen: den damaligen österreichischen Staatspräsidenten Michael Hainisch.

Es gehört zwar seit je zum guten Ton ausländischer Staatsgäste, dem Grab Masaryks in Lany seine Ehre zu erweisen. Nicht jeder aber darf auch ins Schloss. Heinz Fischer wird, nach dem chinesischen Staatschef Xi Jinping, der erst zweite Präsident sein, der offiziell auf Schloss Lany empfangen werden wird. "Ich erinnere daran, dass beide Präsidenten Freunde sind, es handelt sich hier also um eine freundschaftliche Angelegenheit", sagte Zeman Sprecher Jiri Ovcacek.

Tatsächlich verbindet Fischer und Zeman eine Freundschaft. Beide sind politisch in der Sozialdemokratie groß geworden. Als Zeman zu Beginn 2013 in den ersten direkten Präsidentschaftswahlen des Landes gegen Karel Schwarzenberg um das höchste Amt im Staat kämpfte, traf sich Fischer mit Zeman. "Das war eine gewisse Unterstützungserklärung", meint Ovcacek.

Doch auch die besten Freundschaften haben ihre Reibungsflächen. So warm die tschechisch-österreichischen Beziehungen auch sein mögen, wie ein Aprilschauer trübt die Frage der Atompolitik den Sonnenschein zwischen beiden Ländern. Für Abkühlung in Wien sorgte vergangene Woche zum Beispiel die Entscheidung des tschechischen Industrieministeriums, die Laufzeit des ersten Blocks des AKW Dukovany, seit 1985 in Betrieb, auf unbestimmte Zeit zu verlängern.

Rupprechter fordert wegen AKW Dukovany Prüfung

Er sei "sehr enttäuscht" über diese Entscheidung, reagierte darauf der österreichische Umweltminister Andrä Rupprechter. Er besteht darauf, die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung des Reaktors, der nur 40 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt steht, von einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung abhängig zu machen.

Während sein tschechischer Amtskollege Richard Brabec in dieser Sache Offenheit signalisiert hat, mauert Industrieminister Jan Mladek, der als Zemans Mann in der Regierung gilt. "Ich muss betonen, dass der Grundpfeiler der europäischen Energiepolitik sowie der guten nachbarschaftlichen Beziehungen darin liegt, das Recht jeder Nation auf ihren Energie-Mix zu respektieren", ließ er Rupprechter in einer Pressemitteilung wissen. Die Entscheidung für die Laufzeitverlängerung in Dukovany habe zudem das tschechische Strahlenschutzamt in Einstimmung mit der nationalen und europäischen Gesetzgebung gefällt. "In diesen Prozess sollte niemand eingreifen dürfen", erklärte Mladek, deshalb betrachte er die österreichischen Forderungen als "unbegründet".

Ob Dukovany auch auf der Agenda Fischers stehen wird, ist fraglich. Ein Treffen mit Industrieminister Mladek ist während seines Besuches nicht geplant.

Ein Thema, dem man derzeit nirgendwo in Mitteleuropa entgehen kann, ist die Flüchtlingskrise. In Tschechien beherrscht das Thema die öffentliche Diskussion seit Monaten wie kaum ein anderes. Und das, obwohl es kaum Flüchtlinge im Land gibt. Präsident Zeman gibt dabei den obersten Flüchtlingsgegner, der nicht müde wird, Migranten immer wieder als "Invasoren" zu bezeichnen.

Zeman spricht in dieser Frage der Mehrheit der Bevölkerung nach dem Mund. Rund 80 Prozent der Tschechen, so belegen mehrere Meinungsumfragen, wollen keine Flüchtlinge aus islamischen Ländern im Land. Inzwischen hat sich die Regierung erneut gegen eine EU-Quote zur Flüchtlingsverteilung ausgesprochen.

Zeman legt inUmfragen zu

Kein Wunder also, dass Österreichs Eintreten für Grenzschließungen und Obergrenzen in Tschechien positiv aufgenommen wird. Das sei eine "rationale und großmütige" Entscheidung, kommentierte zum Beispiel Verteidigungsminister Martin Stropnický. Österreich setzt weiterhin auf Dialog in der Flüchtlingsfrage. "Ich sehe aber - abgesehen von der Frage der Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU beziehungsweise des Schengen-Raums - auch viele Gemeinsamkeiten" sagt Diplomat Grubmayr. Zum einen seien effektive Kontrollen und, wo notwendig, Schutz der Außengrenzen, zum anderen verstärkte Hilfe für Flüchtlinge vor Ort Ansatzpunkte, in denen beide Länder eine gemeinsame Sprache finden können. Abseits von Hysterie und Meinungsmache.

Für Zeman hat sich seine Anti-Flüchtlingsrhetorik allerdings ausgezahlt. Seine Beliebtheitswerte sind auf über 60 Prozent angestiegen, ein Hoch in seiner inzwischen dreijährigen Amtszeit und ein Indikator für seine Chancen auf eine Wiederwahl.

Die wird Heinz Fischer nicht haben. Da er für eine weitere Amtszeit nicht kandidieren kann, wird dies sein letzter Staatsbesuch in Prag sein. Und wenn er in Zukunft als Privatmann an die Moldau reisen möchte, die Zugverbindung kennt er ja.