Madrid. Im Juni muss Spanien ein neues Parlament wählen. Nach den Wahlen am 20. Dezember waren alle Versuche, eine tragfähige Koalition zu bilden, gescheitert. Am Donnerstagabend zog nun Spaniens König Felipe die Reißleine und kündigte Neuwahlen an, weil aus seiner Sicht keiner der im Parlament vertreten Parteiführer die notwendige Mehrheit besitzt. Diese sollen schon im Juni stattfinden. Offiziell wäre die Frist zur Bildung einer neuen Regierung am 2. Mai abgelaufen, dann wären automatisch Neuwahlen fällig.

Der König hat die Auflösung des Parlaments eingeleitet und Parlamentspräsident Patix Lopez Alvarez informiert. Zuvor war am Dienstagabend der letzte Anlauf, eine Koalition zu bilden, gescheitert. Der Chef der Sozialistischen Partei (PSOE), Pedro Sánchez, machte die linke Protestpartei Podemos verantwortlich für das Scheitern der Gespräche. Die kleine Regionalbewegung Compromis hatte am Morgen überraschend der PSOE und anderen linken Parteien einen Koalitionsvorschlag vorgelegt, um Neuwahlen in letzter Minute zu verhindern. Compromis, die ihre Basis in der Region Valencia hat und über vier Abgeordnete verfügt, strebte die Beteiligung von Podemos und Izquierda Unida an der neuen Regierung an. Mit Duldung der liberalen Zentrumspartei Ciudadanos sollte Sánchez zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Podemos gegen PSOE

Podemos und dessen Parteichef Pablo Iglesias, die sich zwar offen für das Bündnis zeigten, wollten aber keine Minderheitsregierung unter Führung der PSOE akzeptieren. Die konservative PP von Ministerpräsident Mariano Rajoy gelang es nicht, einen Partner zur Bildung einer Koalition zu finden. Ciudadanos erklärte sich zwar zur Zusammenarbeit mit den Sozialisten bereit, doch lehnten Podemos und andere linke Parteien deren Koalitionsvereinbarung als zu liberal ab.

"Wir sind zu einer Wiederholung der Wahl gezwungen", erklärte Sanchez am Abend. "Herr Iglesias hat die Tür geschlossen." Damit verharrt das Land weiterhin im poltischen Patt. Im Dezember war die 40-jährige Herrschaft des Zweiparteiensystems, der PP und Sozialisten, abgewählt worden.

Arbeitslosigkeit, die drastische Spar- und Reformpolitik der konservativen Regierung und die Korruptionsaffären in beiden großen Volksparteien führten zum Erstarken der beiden neuen Protestparteien, der ultralinken Podemos (Wir können) und den liberalen Ciudadanos (Bürger), das sich auch im jüngsten Wahlergebnis deutlich niederschlug.

Auch wenn die PP erneut stärkste Kraft im Land wurde, wollte dem amtierenden Ministerpräsidenten, Mariano Rajoy, niemand zu einer parlamentarischen Mehrheit verhelfen. Nach dem mehrfachen Scheitern der Koalitionsgespräche ist der Großteil der Parteichefs aber ohnehin schon im Wahlkampfmodus. Rajoy und Sánchez touren durchs Land und halten Wahlkampfreden.

Neues Linksbündnis möglich

Iglesias verhandelt schon länger mit der Vereinten Linken (IU), um gemeinsam bei etwaigen Neuwahlen anzutreten und damit die Sozialisten als zweitstärkste Partei im Parlament ablösen zu können. Doch auch Neuwahlen werden vermutlich keinen Ausweg aus dieser Patt-Situation bringen. Denn die Kräfteverhältnisse im Parlament würden sich nicht wesentlich verändern, das zeigen zumindest Umfragen.