Zum Hauptinhalt springen

Mit Aspirin und Glyphosat zum globalen Alpha-Tier

Von Ronald Schönhuber und Konstanze Walther

Politik

Die Übernahme von Monsanto wäre der Höhepunkt der Fusionswelle im Agrochemie-Sektor.


Leverkusen/Brüssel. Dass er die Dinge auf die lange Bank schiebt, kann man Werner Baumann wohl nicht nachsagen. Nur knapp drei Wochen nach seinem Amtsantritt hat der neue Chef des deutschen Chemie-Riesen Bayer nun den Grundstein für die mit Abstand größte Akquisition der Firmengeschichte gelegt. Der US-Saatgutkonzern Monsanto, den Baumann ins Auge gefasst hat, wird an der Börse derzeit mit gut 42 Milliarden Dollar bewertet und ist damit in etwa halb soviel wert wie das Leverkusener Traditionsunternehmen selbst.

Mit einem Kauf der Amerikaner würde Bayer nicht nur zum weltgrößten Saatguthersteller aufsteigen, sondern könnte auch den Schweizer Konzern Syngenta bei den Pflanzenschutzanbietern vom Thron stoßen. Monsanto selbst steht nach der Fusionsankündigung der US-Chemieriesen DuPont und Dow Chemical, die das Agrarchemiegeschäft als eigenständiges Unternehmen aufstellen wollen, unter Druck, sich einen Partner zu suchen. Erst im vergangenen Sommer waren die Amerikaner mit ihren Übernahmeavancen bei Syngenta abgeblitzt. Die Schweizer werden nun für 43 Milliarden Dollar vom chinesischen Staatskonzern ChemChina geschluckt.

Die aktuelle Fusionslust in der globalen Agrarindustrie ist allerdings nur die jüngste Etappe einer schon seit mehr als 20 Jahren zu beobachtenden Entwicklung, die zu einer nahezu beispiellosen Marktkonzentration geführt hat. So kamen die zehn größten Unternehmen der Saatgutindustrie im Jahr 1996 auf einen Marktanteil von weniger als 30 Prozent. Heute sind es mit Monsanto, DuPont und Syngenta drei Konzerne, die mehr als 50 Prozent des Weltmarktes kontrollieren.

Alles aus einer Hand

Befeuert wurde diese Fusionswelle, in deren Rahmen die großen Fische mehr als 300 Unternehmen entweder aufgekauft oder zu Partner gemacht haben, auch durch die immer stärkere Kopplung von Saatgut an Unkrautvernichter. Mittlerweile gibt es viele Sorten, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie durch das jeweilige konzerneigene Spritzmittel nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Im Gegenzug braucht das dermaßen modifizierte Saatgut aber oft teuren Spezialdünger, um überhaupt zu wachsen. Der Bauer wird damit im Idealfall gleich drei Mal zum Kunden, der Saatgut, Pflanzenschutzmittel und Dünger im Paket kauft.

Doch auch wenn sich für Monsanto und Bayer in dieser Hinsicht zahlreiche Synergieeffekte ergeben würden, kommt auf Baumann wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit zu. Denn viele Anleger befürchten nicht nur, dass sich die kostspielige Übernahme nur mittels Kapitalerhöhung stemmen lässt. Mit Monsanto würden sich die Deutschen, die mit dem Schmerzmittel Aspirin zu Weltruhm gelangt sind, auch ein Unternehmen ins Haus holen, das zu den global umstrittensten gehört. "Monsanto steht für das personifizierte Übel der industrialisierten Landwirtschafts-, Agrar- und Chemieindustrie", meint Dirk Zimmermann, Agrarexperte bei Greenpeace.

In der Kritik stehen die Amerikaner dabei schon seit Jahrzehnten. So war der Konzern etwa über ein Gemeinschaftsunternehmen mit Bayer an der Herstellung des Entlaubungsmittels "Agent Orange" beteiligt, das die US-Armee im Vietnamkrieg nutzte. In Europa entzündete sich der Widerstand dagegen primär an den diversen gentechnisch veränderten Getreide- und Pflanzensorten, mit denen Monsanto in den vergangenen Jahren auf den Markt drängte. Hinzu kommen unzählige juristische Scharmützel mit Bauern in aller Welt. Denn laut den Verträgen, die das Unternehmen mit den Landwirten abschließt, dürfen diese die patentrechtlich geschützten Pflanzensorten nicht einfach nachzüchten und dann auf ihren Feldern aussähen. Sie müssen stets neues Saatgut von Monsanto kaufen.

Für die heftigste Diskussion sorgte zuletzt aber das Breitbandherbizid Glyphosat, das von Monsanto unter dem Markennamen Roundup vertrieben wird. In der EU ist der möglicherweise krebserregende Unkrautvernichter derzeit noch erlaubt. Aber in sechs Wochen läuft diese Zulassung aus. Bevor das passiert, muss eine Entscheidung über eine Verlängerung getroffen werden. Am Donnerstag wurde die Entscheidung jedoch einmal mehr vertagt. Zu unsicher scheint die Rechtslage, zu widerstreitend die Studien.

Eine unabhängige Studie?

Dabei hatten die Interessensvertreter beider Seiten diese Woche noch einmal alles in die Schlacht geworfen, um die Entscheidung zu beeinflussen. Der sogenannte "Sachverständigenausschuss für Pestizidrückstände" (JMPR) der Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte in der bisher jüngsten Studie, die praktischerweise nur zwei Tage vor den Beratungen des EU-Parlaments veröffentlicht worden war, dass es unwahrscheinlich sei, dass Glyphosat über die Ernährung ein Krebsrisiko für den Menschen darstelle.

Doch ob die Ergebnisse des JMPR gänzlich objektiv zustande gekommen sind, wird von Kritikern bezweifelt: Der Vorsitzende des JMPR, Professor Alan Boobis, ist auch gleichzeitig Vizepräsident des Instituts ILSI, das laut der US-amerikanischen Right-to-Know-Kampagne im Jahr 2012 eine Spende von rund einer Million Dollar aus dem Monsanto-Dunstkreis erhalten hatte: 500.000 US-Dollar von Monsanto selbst, und 528.500 Dollar von einer Lobbygruppe namens Croplife International, die neben Monsanto auch Syngenta vertritt.