Zum Hauptinhalt springen

Der schwierigste Job Italiens

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik
Die 37-jährige Virginia Raggi will Rom wieder auf die Beine b ringen. Die Stadt hat das bitter nötig.
© reu

Virginia Raggi hat gute Aussichten Bürgermeisterin von Rom zu werden. Sie kandidiert für Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung.


Rom. Es war Frust, der Virginia Raggi in die Politik trieb. Als vor gut drei Jahren ihr Sohn auf die Welt kam, fand sich die 37 Jahre alte Römerin in der Situation wieder, mit der alle jungen Eltern in der italienischen Hauptstadt zu kämpfen haben. Und das heißt oft Slalom mit dem Kinderwagen zwischen zugeparkten Gehsteigen, Schlaglöchern und vermüllten Straßen. Denn abseits der Sehenswürdigkeiten und des Dolce-Vita-Klischees wirkt Rom nach Jahren der Misswirtschaft, Verschuldung und Korruption heute oft wie eine failed city, eine gescheiterte Stadt, deren Sanierung eine Herkulesaufgabe ist.

Raggi wollte aber nicht resignieren und engagierte sich in der 2009 gegründeten 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo, die sich mittlerweile als stärkste Oppositionspartei im Land konsolidiert hat. Drei Jahre lang saß die Urheberrechts-Anwältin zuletzt für die Protestbewegung im römischen Stadtrat. Jetzt will Raggi als erste Frau Roms Bürgermeisterin werden und die Chancen, dass die bis vor kurzem unbekannte Außenseiterin den schwierigsten Job der Stadt bekommt, stehen nicht schlecht. Die 37-Jährige liegt in allen Umfragen vorne.

Kommunalwahlen finden an diesem Sonntag in mehr als 1300 italienischen Städten und Gemeinden statt, darunter auch in den Metropolen Turin, Mailand, Neapel und Rom. Die Wahl in der Hauptstadt hat aber traditionell die größte Bedeutung. Selbst Premier Matteo Renzi, für den der Urnengang ein wichtiger Stimmungstest ist, schaltete sich zuletzt persönlich in den Wahlkampf in der Hauptstadt ein.

Roberto Giachetti, der für Renzis Demokratische Partei (PD) den Bürgermeistersessel holen soll, zählt allerdings nicht zum engsten Favoritenkreis. Denn der radikale Anti-Establishment-Kurs der Grillo-Bewegung, die sich als die überhörte Stimme der Bürger positioniert, fällt in Rom auf besonders fruchtbaren Boden. Noch immer steht die Ewige Stadt unter dem Eindruck des jüngsten Korruptionsskandals "Mafia Capitale", bei dem sich ein Netzwerk aus Ganoven, städtischen Funktionären und Politikern die Stadt wie eine Art Selbstbedienungsladen aufteilte. Auch der linksdemokratische Ex-Bürgermeister Ignazio Marino wurde von den Skandalen überrollt und trat im November zurück. Seither wird Rom von Sonderverwalter Francesco Paolo Tronca regiert.

Fast schon Mantra-artig betonte Raggi im Wahlkampf daher auch die Unglaubwürdigkeit der politischen Konkurrenz, die während ihrer Regierungszeit nur Misserfolge aneinandergereiht und ein System der Vetternwirtschaft etabliert habe. Unter einer 5-Sterne-Bürgermeisterin soll es daher vor allem korrekte Ausschreibungsverfahren und klare Regeln geben. Den täglichen Verkehrskollaps will die begeisterte Motorradfahrerin mit Strafzetteln, Busfahrstreifen, intelligenten Ampeln und Fahrradwegen bekämpfen. "Rom muss wieder eine normale Stadt werden", fordert Raggi. Teure Großprojekte wie die Olympiabewerbung 2024 lehnt sie ab.

Zwei Frauen im Kampf um Rom

Raggi erscheint vor allem auf den ersten Blick schlagfertig und kompetent. Doch wenn es ins Detail geht, wirkt die resolute Anwältin, die bei einem Online-Voting mit 1776 Stimmen zur 5-Sterne-Spitzenkandidatin gekürt wurde, zuweilen hilflos und wenig konkret. So bleibt etwa offen wie sie Ordnung im Dickicht von beinahe 60 000 städtischen Angestellten schaffen und die Verwaltung effizienter gestalten will. Zweifel gibt es zudem am Demokratieverständnis der Grillo-Bewegung, die bereits Dutzende kritische Mitglieder ausgeschlossen hat und deren innere Mechanismen unklar sind.

Raggi ist allerdings nicht die einzige Frau, die Chancen auf den Bürgermeistersessel hat. Auch die vor allem bei der rechten Wählerschaft beliebte Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen "Fratelli d’Italia" (Brüder Italiens), schneidet in den Umfragen gut ab. Damit könnte es bei einer allfälligen Stichwahl am 19. Juni ein präzedenzloses Damenduell um Rom geben.