Nämlich?

Nämlich mit der Politik der Integration, wie man es heute nennen würde, zu brechen. 376 hat man mit den Westgoten erstmals Germanen ins Reich aufgenommen, ohne ihnen die Chance zu geben, römische Bürger zu werden. Diese Politik der Integration, die Kaiser Caracalla 212 begonnen hatte, war ja sehr erfolgreich. Nunmehr behandelte man die Westgoten, und bald auch andere germanische Stämme, nur noch als Verbündete - als Verbündete mit der Verpflichtung, fürs Reich zu kämpfen. Man integrierte sie jetzt nicht mehr, sondern man versuchte, sie über Bündnissysteme einzubinden.

Vorher hat man sie integriert?

Vorher hat man sie entweder abgewehrt oder integriert. Wenn Germanen 25 Jahre in der römischen Armee gedient hatten, bekamen sie das Bürgerrecht. Von diesem Zeitpunkt an galt das nicht mehr. Und es ist natürlich etwas anderes, ob Sie dazugehören oder bloß Verbündete sind. Das war ein großer Fehler, der sich verhängnisvoll ausgewirkt hat. In der Endphase des Weströmischen Reiches bestand das Heer überwiegend aus Germanen. Das Problem war, dass die immer weniger integriert waren. Sie haben nie die römische Identität angenommen. Kein Wunder: Sie wurden beispielsweise schlechter bezahlt als reguläre römische Soldaten. Der Anführer der Westgoten, Alarich, hatte sich darüber aufgeregt, wollte mehr Sold für seine Kämpfer und Niederlassungsrecht in Italien. Er wurde aber von den Römern jahrelang hingehalten - so lange, bis er Rom plündern ließ. Die herrschende Klasse in Rom war am Ende in erster Linie mit Streitereien und Intrigen beschäftigt. Schließlich löste sich das Reich einfach auf.

Wo genau sehen Sie da die Parallelen zur heutigen Zeit? In so einer dramatischen Lage scheint die EU ja nicht zu sein.

Nun, die Gesetzesflut erinnert schon ans alte Rom, ebenso wie die ständigen Streitigkeiten der einzelnen Akteure in der EU, die die Union zunehmend handlungsunfähig machen. Das betrifft vor allem auch die Migrationsproblematik. Mit der hat man sich lange kaum auseinandergesetzt, obwohl die Probleme schon lange Zeit existieren. Es geht dabei ja nicht nur um Syrien oder Afghanistan. Es geht um ganz West- und Nordafrika, und auch um viele andere Regionen. Millionen Menschen werden sich in den nächsten Jahren auf den Weg machen.

Und was soll Europa jetzt tun? Zäune bauen?

Nein. Mauern können da gar nichts ausrichten - heute, wo wir ganz andere Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten haben, noch weniger wie damals. Dieses ständige Streiten um lächerlich kleine Flüchtlingskontingente, dieses sich Abschotten hilft doch nicht. Man muss das Problem eben so gut es geht an der Wurzel packen. Man könnte etwa den Waffenhandel reduzieren und sich darum bemühen, dass nicht noch mehr Länder zum Pulverfass werden. Auch die Entwicklungshilfe, die oft mehr behindert als fördert, müsste man komplett ändern. Bei all dem dürften die Politiker der einzelnen EU-Staaten nicht mehr derart blockieren. Sie müssten zusammenarbeiten. Danach sieht es im heutigen Europa der nationalen Egoismen aber nicht gerade aus.