Brüssel. Trotz allen sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Problemen - Afrika ist kein verlorener Kontinent, ist Heinz K. Becker überzeugt. Obwohl Millionen auf der Flucht sind vor Kriegen, despotischen Regimen, Umweltkatastrophen und bitterer Armut, habe Europa nach wie vor die Chance, den Fluchtursachen zumindest entgegenzuwirken. Der ÖVP-Europaabgeordnete rief deshalb Ende Mai internationale Experten zu einer Afrika-Konferenz zusammen. Das Ziel: eine Initiative für einen "europäischen Marshallplan für Afrika" zu setzen.
Mehr als 15 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, ein Viertel aller Flüchtlinge weltweit, befanden sich 2015 in afrikanischen Staaten, berichtet das UN-Flüchtlingshochkommissariat. Bei Weitem nicht alle suchen den Weg nach Nordafrika, um von Libyen oder Ägypten aus die gefährliche Überfahrt nach Europa zu wagen. Mehr als drei Viertel der Flüchtlinge sind Vertriebene im eigenen Land. Gerade für diese Binnenflüchtlinge müsse man bis 2050 400 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, sagte anlässlich der Konferenz die Direktorin für die Entwicklungskoordination in West- und Zentralafrika der EU-Kommission, Carla Montesi.
Genau hier soll der europäische Marshallplan ansetzen, geht es nach Becker. Klassische Entwicklungszusammenarbeit, so der Tenor in der EVP-Europafraktion, könne die Grundprobleme in Afrika nicht nachhaltig bekämpfen, weil es an entsprechender internationaler Koordination mangle.
1945 gab es Strukturen
Wie auch beim historischen Vorbild, mit dessen Hilfe Europa nach 1945 den Wiederaufbau schaffte, solle Europa deshalb einzelne nationale Programme zu Gunsten eines europäischen Generalplans zurückstellen. Zwischen 100 und 700 Milliarden Euro müsse man für Afrika in die Hand nehmen, würde man den historischen Marshallplan auf Afrika umlegen, rechnet der Wiener Wirtschaftshistoriker und Marshallplan-Experte Dieter Stiefel vor. So wie in der Nachkriegszeit müsse das Ziel sein, die afrikanischen Volkswirtschaften derart zu stärken, dass über den Export nachhaltige Beschäftigung und Wachstum erzielt werden können. Eine Situation, vor der in Zukunft - wie damals auch die USA als Geberland - Europa profitieren könne, ist sich Becker sicher: "Europas Engagement soll keineswegs nur aus altruistischen Motiven erfolgen."