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Freies Reisen? Die EU bremst

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Die Innenminister der EU-Länder vertagen eine Entscheidung über die Aufhebung der Visumspflicht für vier Staaten.


Luxemburg. Ersehnt wie umstritten: Die Aufhebung der Visumspflicht für knapp 130 Millionen Menschen sorgt in der EU weiterhin für heftige Debatten. Die Türkei, Ukraine, Georgien und der Kosovo drängen auf Reisefreiheit für ihre Bürger, doch müssen sie sich vorerst gedulden. Denn bei ihrem Treffen in Luxemburg vertagten die Innenminister der Union eine Entscheidung dazu. Dabei hat die EU-Kommission Kiew und Tiflis bescheinigt, die Voraussetzungen für die Visabefreiung zu erfüllen. Für Pristina und Ankara gilt dies mit Einschränkungen. So muss der Kosovo noch ein Grenzabkommen mit Montenegro regeln. Die Türkei wiederum müsste unter anderem ihre Anti-Terror-Gesetze ändern - was sie bereits abgelehnt hat.

Das bringt die Europäer in eine verzwickte Lage. Denn das Abkommen, das sie mit der Türkei für einen besseren Grenzschutz und zur Rücknahme von Flüchtlingen geschlossen hatten, sieht auch eine Beschleunigung des Prozesses der Visaliberalisierung vor. Im Gespräch war schon, dass ab dem kommenden Monat die Hürden wegfallen sollten. Davon ist nun nicht mehr die Rede - was bereits Drohungen aus Ankara zur Folge hatte. Die Flüchtlingsvereinbarung könnte obsolet werden, hieß es dort.

Bedenken zu Georgien

Auch für Georgien schien die Reisefreiheit schon einmal näher gewesen zu sein. Ein paar Mitgliedstaaten hegen nämlich Bedenken. In Deutschland etwa warnten zuletzt CDU- und CSU-Politiker vor einer "voreiligen" Entscheidung. Sie verwiesen auf Statistiken des Bundeskriminalamtes, wonach hinter einem Teil von Wohnungseinbrüchen Mitglieder der georgischen Mafia stecken.

Für Österreich könne er das zwar nicht bestätigen, erklärte Innenminister Wolfgang Sobotka. Dennoch äußerte er Verständnis für die Skepsis der Nachbarn. Neben der Erfüllung aller Bedingungen für die Visafreiheit sei eben auch der Aussetzungs-Mechanismus wichtig, auf den Berlin pocht.

Diesen haben die Länder bereits beschlossen, und in den kommenden Wochen soll die Zustimmung des EU-Parlaments folgen. Es geht dabei um eine Notfall-Maßnahme, die es den EU-Staaten erlaubt, für ein halbes Jahr wieder die Visumspflicht einzuführen. Diese Möglichkeit gibt es schon jetzt, doch soll sie künftig leichter zu ergreifen sein. Gründe dafür können ein Anstieg von Asylanträgen sein oder mangelnde Kooperation der Partnerländer bei der Rücknahme von Flüchtlingen, die in der EU keinen Anspruch auf Asyl haben. Der Beobachtungszeitraum dafür wurde gekürzt: Schon nach zwei Monaten können die Mitgliedstaaten ihre Einwände an die Kommission melden.

Wien im Zwist mit Budapest

In der Zwischenzeit tragen zwei EU-Länder ihre Scharmützel untereinander aus. Österreich beharrt weiterhin darauf, dass Ungarn Schutzsuchende zurücknimmt, für die es laut den Dublin-Regeln zuständig wäre. Diese besagen, dass das Land der Einreise den Asylantrag bearbeiten sollte. Budapest will von einer Rücknahme allerdings nichts wissen - was der österreichische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil erst am Donnerstag bei einem Besuch im Nachbarland hören musste.

Einen Tag später brachte Innenminister Sobotka das Thema in Luxemburg auf. Er habe bereits EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos darauf hingewiesen, berichtete er. Auf die Frage, ob die Behörde ein Verfahren wegen Vertragsverletzung gegen Ungarn einleiten sollte, meinte er aber: "Die rechtlichen Schritte sind immer die letzten." Daher solle es zunächst einmal weitere Gespräche mit den ungarischen Kollegen geben. Allerdings sei eine "europäische Beurteilung" wünschenswert, wenn EU-Regeln verletzt werden. Abgesehen davon: "Wenn von Griechenland in die Türkei zurückgeschoben werden kann, versteht niemand, warum nicht das Gleiche gegenüber Ungarn passieren kann."

Eine Hürde dafür gibt es aber auch in Österreich selbst. Ein Spruch des Verwaltungsgerichtshofs hat nämlich dazu geführt, dass seit dem September des Vorjahres keine Asylwerber ins Nachbarland zurückgeschickt wurden. Laut Sobotka ist dies jedoch ein individuelles Urteil.

Schärfere Waffenregeln

Geeinigt haben sich die Innenminister unterdessen auf schärfere Kontrollen für Feuerwaffen. Darauf hatten einige Mitgliedstaaten nach den Terroranschlägen in Paris und Brüssel gedrängt. Sie beklagten unter anderem, dass deaktivierte Gewehre nicht mehr registriert werden müssen. Dabei können sie ohne großen Aufwand wieder schussbereit gemacht werden.

Lücken in den bestehenden Gesetzen sollen daher geschlossen werden. Die Kontrolle von Feuerwaffen soll gestärkt, deren Handelswege sollen nachvollziehbarer werden. Für den Erwerb der gefährlichsten Produkte soll es striktere Regeln geben und der Gebrauch von bestimmten halbautomatischen Waffen für Zivilisten überhaupt verboten werden. Den Vorschlägen muss noch das EU-Parlament zustimmen.

Außerdem setzen die Länder auf besseren Informationsaustausch untereinander. Die nationalen Behörden sollen künftig schneller relevante Hinweise weiterleiten. Bei terroristischen Bedrohungslagen sei der Austausch von Daten wesentlich, betonte der niederländische Innenminister Ronald Plasterk, dessen Land den EU-Vorsitz innehat. Die lasche Zusammenarbeit der Geheimdienste oder mangelnde Konsequenzen aus Erkenntnissen haben in letzter Zeit für viel Kritik gesorgt.