Madrid. "Der Brexit ist ein Grund mehr dafür, dass Spanien nun Stabilität braucht, die nur wir garantieren können", versprach Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy am Freitag mit Blick auf die spanischen Parlamentswahlen am kommenden Sonntag.
Rajoy ist überzeugter Europäer. Dennoch kommt ihn der Brexit derzeit wie gerufen, um seine bisherige Angstkampagne gegen die linke Protestpartei Podemos (Wir können) zu untermauern, die bei den Wahlen die Sozialisten (PSOE) als linke Alternative ablösen dürfte. Immer wieder wetterte Podemos-Chef Pablo Iglesias in den vergangenen Monaten gegen Rajoys Brüssel-Hörigkeit bei der Umsetzung drastischer Austeritätspolitik und forderte mehr Autonomie für Madrid, sozial verträglichere Wege aus der Krise zu gehen.
Nach dem Motto "Ich oder linksextremistische Abenteuer" will Rajoy nun vor allem Wähler zurückgewinnen, die bei den vergangenen Wahlen im Dezember die regierende konservative Volkspartei (PP) für ihre Korruptionsaffären abstraften und ihre Stimmen der neuen liberalen Ciudadanos-Partei (Bürger) gaben. Die Strategie scheint aufzugehen. Rajoys Konservative gelten am Sonntag erneut als Wahlfavoriten. Auch Luis Segura-Mori wird den Konservativen seine Stimme geben, nachdem er im Dezember noch die Liberalen wählte. "Es ärgert mich ein wenig, da die PP wegen ihre Korruption bestraft gehört und ich mich mehr in der Politik der Ciudadanos wiederfinden. Aber um eine Podemos-Regierung zu verhindern, hat es mehr Sinn, die Konservativen zu wählen", meint der 36-jährige Zahnarzt aus Madrid.
Vor allem Podemos arbeitgeberfeindliche Pläne gefallen ihm nicht. "Ich bin für den Schutz der Arbeiterrechte, aber wenn die Wirtschaft anziehen soll, muss die Politik auch an die Arbeitgeber denken", meint der Zahnarzt, der in seiner Praxis zehn Angestellte unterhält. Der teils utopische Anti-Kapitalismus von Podemos, einer Schwesterpartei der griechischen Syriza, mache ihm Angst. "Eine solche Politik würde erneut zu großer Instabilität und Kapitalflucht führen und das Vertrauen in unser Land schwächen. Wie wollen wir uns dann an den internationalen Märkten finanzieren?", fragt Segura-Mori.
Seine Befürchtungen scheinen nicht ganz unbegründet zu sein. Podemos verteidigt ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien. Spaniens separatistische Regionalregierung dürfte durch den Brexit motiviert werden, demnächst stärker auf eine Abspaltung zu pochen und mit einer Podemos-Regierung das Recht auf ein Referendum erhalten. Die Börsen regierten bereits. Es kam zum Ausverkauf katalanischer Staatsanleihen, deren Rendite auf zehnjährige Titel zeitweise um einen Prozentpunkt auf 5,5 Prozent stiegen.