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Abhängig vom ungeliebten Brüssel

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Ungarns Rechtspopulisten sehen sich durch Brexit bestätigt. Loslösen von der EU will sich Ungarn aber nicht.


Budapest/Bratislava. Der drohende Brexit hat den EU-kritischen Politikern Ungarns und der Slowakei neue Möglichkeiten zur Profilierung eröffnet. Ungarns Rechtspopulisten unter Premier Viktor Orban sonnen sich im Gefühl, recht gehabt zu haben, da sie - und nicht nur sie - die von ihnen kritisierte EU-Politik in der Flüchtlingskrise für das Votum der Briten verantwortlich machen. Hingegen ist der slowakische Regierungschef Robert Fico bemüht, sich nun als Moderator zu präsentieren. Für diese angestrebte Rolle kommt ihm zupass, dass die Slowakei am 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Präsidentschaft übernommen hat.

Orbans Mannschaft präsentiert sich nach altem Muster wie ein Orchester, dessen Instrumente widersprechende Melodien spielen. Als Symphonie kommt aber doch die Aussage heraus: Ungarns Regierung mag die EU nicht, ist aber auf sie angewiesen. Schließlich profitiert das Land massiv von EU-Finanzierungen. Es gibt kaum eine öffentliche Investition ohne Zuschüsse aus Brüssel. Ungarn ist von Exporten in die EU abhängig. Zudem arbeiten mindestens 100.000 Ungarn dank der EU-Freizügigkeit in Großbritannien. Sie gehören mehrheitlich nicht zu Orbans Anhängern, sind aber nun darauf angewiesen, dass Budapest in London für ihre Rechte nach einem Brexit kämpft.

Orban hatte sogar mit Anzeigen in britischen Zeitungen gegen den Brexit geworben - in der vergeblichen Hoffnung, dass die Briten auf ihn hören würden, gerade weil er ein scharfer EU-Kritiker ist. Ein ähnliches Referendum in Ungarn schließt er aus. Dafür gibt es im Herbst eine Volksabstimmung über die verpflichtenden Verteilungsquoten von Flüchtlingen innerhalb der EU, gegen die Ungarn, ebenso wie die Slowakei, gerichtlich vorgegangen ist.

Auch wenn es kein Referendum geben wird - Regierungspolitiker lieferten trotzdem Aussagen, die ihrer Meinung nach jene 40 Prozent Ungarn hören wollen, die laut Umfragen einen EU-Austritt befürworten. Orbans Kanzleichef Janos Lazar sagte, dass er im Fall einer Referendums über Ungarns Verbleib in der EU "nicht leichten Herzens dafür", sondern entweder dagegen stimmen oder nicht zur Abstimmung gehen würde. Das sei aber nur seine "persönliche Meinung", nicht die Position der Regierung, sagte Lazar, zu dessen Hauptaufgaben ausgerechnet die Verteilung von EU-Geldern gehört.

Fast EU-freundlicher wirkt dagegen die Position der rechtsextremen Oppositionspartei Jobbik, zu deren Programm auch der EU-Austritt gehört. Jobbik-Chef Gabor Vona verkündete, ein Abschied von der EU sei "nicht mehr aktuell", weil sich die EU in fünf bis zehn Jahren ohnehin verändern werde.

Da man ohne die EU nicht auskommt, sollen die Ungarn ihr nach dem Willen der Regierung wenigstens den Weg in der Flüchtlingspolitik vorzeigen. "Man muss Brüssel stoppen", verkündete jüngst Außenminister Szijjartó. Diesen Ton dürften Orbans Leute zumindest bis zum Flüchtlingsquoten-Referendum in diesem Herbst beibehalten - obwohl dessen Erfolg im Sinne der Regierung schon jetzt sicher scheint. Orbans Zaun an den südöstlichen Grenzen, der den Flüchtlingszustrom deutlich gebremst hat, stößt in Ungarn auf breite Zustimmung, und zwar auch im linken Oppositionslager.

Entspannter geht das Euro-Land Slowakei mit der Brexit-Krise um - wohl auch, weil dort die Karten bei der Parlamentswahl im März dieses Jahres gerade erst neu gemischt wurden. Zwar kam damls mit der rechtsextremen Volkspartei Unsere Slowakei von Marian Kotleba eine Gruppe ins Parlament, die den Austritt aus der EU und aus der Nato anstrebt - allerdings mit geringen Chancen auf Erfolg: Laut Umfragen sind 62 Prozent der Slowaken für einen Verbleib in der EU.

Vorläufig darf der ebenso wie Orban EU-kritische slowakische Regierunsgchef Fico im September erstmals Gastgeber eines EU-Gipfels sein. Dabei will er sich als "guter Moderator" präsentieren. Obwohl selbst kein Freund von Flüchtlingen, sagte Fico jetzt "nationalen Alleingängen" in der Migrantenfrage den Kampf an. Ob der passionierte Alleingänger Orban das gern hört?