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"Wir sind nicht müde"

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Die Erweiterung der EU geht weiter - aber vorsichtig.


Paris. "Manche Länder mögen von der Europäischen Union ermüdet sein. Wir sind es nicht." Der Aussage des serbischen Finanzministers Dusan Vujovic könnten sich wohl etliche Regierungspolitiker aus der Region anschließen. Denn die Annäherung der Westbalkan-Staaten an die EU ist eines der wichtigsten Ziele, die die Kabinette von Belgrad bis Tirana verfolgen. Doch das britische Referendum über einen Austritt aus der Union nährte Sorgen, dass in der nun angelaufenen Debatte über die Zukunft der Gemeinschaft deren Erweiterung aus dem Fokus gerückt werden könnte.

Das legte auch einen kleinen Schatten auf den Westbalkan-Gipfel in Paris, zu dem Staatspräsident Francois Hollande seine Amtskollegen und die Außenminister aus Deutschland, Österreich, Kroatien, Italien und Slowenien sowie aus den Partnerländern Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo, Montenegro und Mazedonien eingeladen hatte. Die Konsolidierungsphase der EU könnte nun eine gewisse Verlangsamung des Beitrittsprozesses bedeuten, meinte etwa der montenegrinische Premier Milo Djukanovic. In Gefahr sehe er die Annäherung an die Union aber nicht. Ähnlich äußerten sich die Regierungschefs anderer Westbalkan-Staaten.

Die EU-Politiker waren ebenfalls bemüht, die europäische Perspektive der Region zu betonen. So war das Treffen, bei dem es um wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Etablierung eines länderübergreifenden Jugendprogramms und Infrastruktur-Projekte ging, vor allem ein Signal der Ermunterung. "Es gibt keinen Grund, warum wir unsere Haltung gegenüber den Westbalkan-Ländern ändern sollten", sagte Erweiterungskommissar Johannes Hahn: "Das Ziel bleibt, dass diese Staaten Mitglieder der Union werden."

Diese Aussicht sei es auch, die zur Stabilität und wirtschaftlichen Entwicklung der Region beitrage, erklärte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz. Wie Bundeskanzler Christian Kern wies er darauf hin, dass es im Interesse der Union und vor allem Österreichs sei, wenn die Länder in unmittelbarer Nachbarschaft prosperieren. "Das ist keine Entwicklung in einem Hinterhof, sondern in unserem Wohnzimmer", stellte Kern fest.

Annäherung mit Hürden

Das Wort "Erweiterung" ist trotzdem immer seltener zu hören. Stattdessen wird es durch "Heranführung" oder "Annäherung" ersetzt. Auf eine baldige Vergrößerung der Union will sich kein EU-Politiker festlegen. Kern erklärt dies mit einer "Phase der Nachdenklichkeit", Kurz plädiert für die Lösung akuter Probleme.

Hinzu kommen freilich auch die Schwierigkeiten, mit denen die einzelnen Westbalkan-Länder zu kämpfen haben. So hat Mazedonien neben einer lang anhaltenden innenpolitischen Krise auch einen Streit um seinen Namen mit Griechenland zu bewältigen. Die Unabhängigkeit des Kosovo erkennen nicht einmal alle EU-Staaten an. In Bosnien-Herzegowina werden Reformen immer wieder durch administrative Zwistigkeiten zwischen den Volksgruppen gelähmt. Und all diese Länder müssen einen Weg finden, die hohen Arbeitslosenzahlen zu senken, die Wirtschaft anzukurbeln, Investitionen zu fördern - nicht zuletzt um ihre Bürger davon abzuhalten, auszuwandern.

Serbien wiederum muss auch noch mit Widerstand aus dem benachbarten Kroatien rechnen. Zuletzt war es sogar Großbritannien, das ebenfalls Einwände gegen die Eröffnung weiterer Gesprächskapitel zu Justizthemen hatte. Doch während sich EU-Diplomaten das nur mit der auf der Insel herrschenden innenpolitischen Verwirrung erklären konnten, waren die Gründe Zagrebs bekannter. So solle Serbien Minderheitenrechte achten, aber vor allem die selbstproklamierte Zuständigkeit für die Beurteilung von Kriegsverbrechen auf dem gesamten Gebiet Ex-Jugoslawiens aufgeben. Diesem Wunsch will Belgrad zwar nicht bedingungslos entsprechen, aber trotzdem gab es beim Pariser Treffen einen Durchbruch. Zagreb stimmt der Fortsetzung der Beitrittsgespräche zu. Das neue Kapitel könnte noch in diesem Monat aufgeschlagen werden.