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Eigentor Doppelspitze

Von Alexander Dworzak

Politik

Der Bruch in der AfD in Baden-Württemberg legt die Grabenkämpfe beider Parteichefs offen.


Stuttgart/Wien. Frauke Petry und Jörg Meuthen sprachen wieder miteinander. Das alleine zeigt, wie schlecht es um das Verhältnis der Parteichefs der Alternative für Deutschland (AfD) bestellt ist. Am Mittwoch (nach Redaktionsschluss) trafen sich die beiden Vorsitzenden der nationalkonservativ-populistischen Partei dann doch, nachdem sie tags zuvor lediglich viel übereinander geredet hatten. Zu kitten gab es höchstens etwas vor den Kameras, das Verhältnis ist irreparabel belastet.

Nach fulminanten 15,1 Prozent bei der Landtagswahl im März, nur zwei Monate nach Konstituierung des Stuttgarter Landtags, ist der von Meuthen geführte AfD-Landesverband in Baden-Württemberg seit Dienstag gespalten. Meuthen und zwölf weitere Parlamentarier verließen die 23-köpfige Fraktion. Denn sie bekamen keine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Rausschmiss von Wolfgang Gedeon zustande. Er bezeichnete in seinem Buch "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten" die Shoa als "Zivilreligion des Westens" und nannte Holocaust-Leugner Horst Mahler einen "Dissidenten". Dennoch wollte Gedeon nicht weichen, noch dazu stärkten ihm neun Fraktionskollegen den Rücken.

Ist neue Fraktion rechtens?

"Dies ist die AfD Fraktion Baden-Württemberg", sagte Petry am Mittwoch über jene neun. Meuthen und seine Getreuen gründeten die Fraktion "Alternative für Baden-Württemberg". Ob diese anerkannt wird, ist aber unklar. Denn der Vorgang ist in der Geschichte Baden-Württembergs einmalig, und die Verfassung sieht eigentlich ein Grundsatzverbot der Fraktionsvermehrung vor. Landtagspräsidentin Muhterem Aras kündigte daher eine "eingehende Prüfung" an.

Zwar trat Antisemit Gedeon auf Druck Petrys letztlich aus der eigentlichen AfD-Fraktion aus. Doch mit ihrer Einmischung war die nächste Kontroverse geboren: "Ich bin Bundesvorsitzende für Gesamtdeutschland. Wenn ich gerufen werde, komme ich", verteidigte sich die 41-Jährige. Petry ist nicht nur Vorsitzende der gesamten Partei, sondern leitet auch den sächsischen Landesverband. "Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten in Sachsen gibt, da in Sachsen ohne Frauke Petry politisch aktiv zu werden", wies das prominente und umstrittene AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland am Mittwoch auf "Reuters TV" Petry zurecht.

Petry und Gauland sind Parteifreunde im schlechtesten Sinne. Während Gauland, Meuthen und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke eine Achse bilden, sind es auf der Gegenseite Petry und Marcus Pretzell, ihr Lebensgefährte und AfD-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Beide suchen auch die Nähe zur FPÖ: Petry und Heinz-Christian Strache paktierten im Juni mediengerecht auf der Zugspitze eine intensivere Partnerschaft zwischen beiden Parteien. Pretzell ist Abgeordneter im EU-Parlament und dort Mitglied in der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit", der neben der FPÖ unter anderem Marine Le Pens Front National angehört.

Obsolete Arbeitsteilung

Petrys Konkurrent Jörg Meuthen gab sich dagegen stets betont bürgerlich. Doch duldete er in seiner Fraktion einen Abgeordneten, der mit den rechtsextremen Identitären sympathisiert - und nun Meuthens neuer Gruppierung angehört. Auch bei der Wahl seiner Alliierten Gauland und Höcke zeigte sich Meuthen wenig zimperlich. Höcke sprach in einer Rede 2015 vom "lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp" und von einem "Bevölkerungsüberschuss Afrikas", Gauland geriet zuletzt kurz vor der Fußball-EM in die Negativ-Schlagzeilen, als er sagte, niemand wolle einen Boateng als Nachbarn; ein Affront gegen den dunkelhäutigen deutschen Verteidiger.

Das Anti-Petry-Lager eint eine Furcht: Dass die promovierte Chemikerin bei der Bundestagswahl 2017 als alleinige Spitzenkandidatin für die AfD antreten könnte. Ihren Machtwillen bekam bereits Bernd Lucke zu spüren: Der AfD-Mitgründer verließ die Partei 2015 wegen Petry und gründete den Rohrkrepierer "Alfa". Wie Lucke ist Meuthen Wirtschaftsprofessor, wie einst der Euro-Gegner sollte Meuthen von der CDU enttäuschte Wähler, die nicht chauvinistisch sind, ansprechen, während Petry die rechtspopulistische Flanke abdeckt.

Doch die frühere Arbeitsteilung wirkt schon alleine wegen Meuthens ideologischer Flexibilität bei seinen Verbündeten nicht mehr stimmig. Die AfD ist keine Partei mit zwei streng getrennten Flügeln. Solange sie dieses Bild - und damit auch die Doppelspitze - aufrechthält, wird der Kampf um die alleinige Führung ständiger Begleiter der Alternative für Deutschland sein.