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Profiteure der Krise

Von Yvonne Brandstetter

Politik

Urlauber meiden einst beliebte Ziele wie die Türkei. In Portugal, das sich wirtschaftlich erholt, boomt dagegen der Tourismus.


Lissabon/Wien. In den Straßen von Lissabon sowie an der südlichen Algarve tummeln sich wieder die Touristen in Scharen. Auf den Flughäfen herrscht Gedränge. Es ist Hochsaison in Portugal und der Fremdenverkehr boomt. "Schon seit 2013 verzeichnet der portugiesische Tourismus jedes Jahr neue Rekorde", sagt Astrid Fixl-Pummer, langjährige Wirtschaftsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in Lissabon.

Dass jedes Jahr mehr Touristen nach Portugal kommen, hat aber nicht nur mit der landschaftlichen Schönheit und der gut ausgebauten touristischen Infrastruktur zu tun. Denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten ist Portugal bisher von Flüchtlingskrise und Terror verschont geblieben. Das Land zählt somit zu den größten Profiteuren der aktuellen geopolitischen Situation, die vor allem in klassischen Urlaubsländern wie der Türkei, Ägypten und Tunesien für massive Einbußen gesorgt hat.

Infolge der 2012 in Portugal verabschiedete Steuerreform haben sich aber auch viele Pensionisten aus Skandinavien dazu entschieden, auf die iberische Halbinsel zu übersiedeln. Dank der im selben Jahr eingeführten sogenannten "Golden Visas", welche bei Spezial-Investments vergeben werden, kamen zuletzt auch viele Chinesen ins Land und der Immobiliensektor boomte.

Sanktionen wegen Defizit?

Weiterhin wachsende Einnahmen im Tourismus hat der iberische Staat allerdings auch bitter nötig. Denn 2015 lag das Budgetdefizit noch bei 4,4 Prozent des BIP, obwohl es laut EU-Vorgaben eigentlich 2,7 Prozent hätten sein sollen. Noch im Juli soll deswegen auch die EU-Kommission eine Entscheidung im Defizitverfahren gegen Portugal und das ebenfalls betroffene Spanien fällen. Zwar wird weithin nur mit einer symbolischen Strafe gerechnet, doch in Lissabon will man auch nicht ausschließen, dass konkrete finanzielle Sanktionen verhängt werden. Im schlimmsten Fall droht Portugal dabei eine Strafzahlung von 360 Millionen Euro. Kommt es dazu, wäre es das erste Mal seit der Euro-Einführung, dass ein Land wegen Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt sanktioniert wird.

Für Fixl-Pummer wären derartige Sanktionen allerdings "destruktiv und absoluter Irrsinn". Portugal rapple sich langsam wieder auf, eine Strafe würde den Fortschritt behindern. "Außerdem müsste man diese dann wieder aus den Geldern zahlen, die man aus dem Rettungsschirm erhalten hat, das ist kontraproduktiv", betont die Wirtschaftsdelegierte.

Laut Fixl-Pummer hat sich die wirtschaftliche Erholung, die das noch immer hoch verschuldete Land seit Mitte 2013 erlebt, auch heuer moderat fortgesetzt. So verzeichnete Portugal im ersten Quartal des Jahres 2016 ein BIP-Wachstum von 0,9 Prozent. Auch die Arbeitslosenrate, die im Mai bei 11,6 Prozent lag, geht sukzessive zurück.

In Portugal hat sich der wirtschaftspolitische Kurs seit dem Regierungswechsel im November 2015 grundlegend geändert. Premierminister Antonio Costa, dessen sozialistische Minderheitsregierung von drei Linksparteien geduldet wird, kehrte dabei vor allem der rigiden Spar- und Reformpolitik, die die Vorgängerregierung seit 2010 verfolgt hatte, den Rücken. In Rekordzeit wurden Maßnahmen ergriffen wie die Anhebung des Mindestlohns auf 535 Euro brutto, die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche und von vier zuvor abgeschafften Feiertagen Auch vorangegangene Privatisierungen - wie die der Fluglinie TAP - wurden ganz oder teilweise zurückgenommen.