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Zweiergespann gegen den Westen

Von WZ-Korrespondent Axel Eichholz

Politik

Recep Tayyip Erdogan besucht kommende Woche Wladimir Putin. Zwei autoritäre Staatsmänner feiern eine Freundschaft, die buchstäblich aus Ruinen auferstanden ist.


Moskau. (ce) Am kommenden Dienstag trifft der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den russischen Amtskollegen Wladimir Putin in dessen Heimatstadt St. Petersburg. Für ihn wird es das erste internationale Gipfeltreffen nach dem niedergeschlagenen Militärputsch.

Der Erfolg seiner St. Petersburger Gespräche ist angesichts der buchstäblich aus den Ruinen auferstandenen russisch-türkischen Freundschaft vorgezeichnet. Nachdem die Türkei im Vorjahr einen russischen Kampfjet über Syrien abgeschossen hatte, hing der Haussegen mehr als schief. Doch nach einer Entschuldigung Erdogans bei Putin ist nun alles anders. Beide Politiker haben momentan mit dem Westen nichts am Hut und wollen ihn nach Kräften provozieren. Jedenfalls braucht Erdogan von Putin keine Kritik wegen seiner Verletzungen der Menschenrechte zu fürchten - auf der Basis von Gegenseitigkeit. Putin hat Erdogan nach dem missglückten Putschversuch als erster angerufen und seiner Unterstützung versichert. Vermutlich erwartet Ankara von Moskau nun konkretere Schritte.

Wiederaufwertung durch EU

Dabei wünschten die beiden Politiker sehnlichst, von der EU und den USA wieder akzeptiert zu werden - jeder in seinem Sinne, schreibt die Moskauer Tageszeitung "Kommersant". Die Zeitung zitiert aus einem Interview des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu mit dem Fernsehsender CNN Turk: "Es gibt diejenigen, die sich Sorgen um die Normalisierung unserer Beziehungen mit Russland machen. Unsere Beziehungen mit Moskau sind keine Alternative zu unseren Beziehungen mit der Nato und der EU." "Obwohl sich keine radikale Änderung der Beziehungen zwischen Ankara und Moskau abzeichnet, braucht Erdogan im Vorfeld des G-20-Gipfels in China Garantien dafür, dass er nicht zu einer Unperson der großen Politik verkommt", sagt der frühere russische Vizeaußenminister Andrej Fjodorow.

Moskau braucht Ankara

Dies sei das erste Ziel der Russlandreise des Türken. Das zweite seien seine Beziehungen mit der EU. Das Flüchtlingsabkommen sei äußerst wichtig für Europa und erlaube es Erdogan, auf Bündnispartner erfolgreich Druck zu machen. Es gebe aber eine Schmerzgrenze, so Fjodorow. Die Wiedereinführung der Todesstrafe werde die EU nicht hinnehmen. Russland würde dagegen moderater darauf reagieren und so einen Ausgleich für Ankara schaffen.

Auch brauche Moskau Ankara aus rein praktischen Gründen, so der "Kommersant", und zwar in Syrien und im Transkaukasus sowie im Energiesektor. Die Wiederbelebung des Gasprojekts Turkish Stream könnte die EU-Führung, die das russische Pipelineprojekt Nord Stream-2 bremst, gefügiger machen, schreibt die Zeitung.

Der Bau dieser Gaspipelines würde die Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen verstärken. Russland könnte dann auf den Gastransit durch die Ukraine weitestgehend verzichten, heißt es. Türkei werde Gastransitmacht. Ankara sei selbst an billigen Gaslieferungen aus Russland interessiert. Als das wichtigste Transitland würde es aber auch den Gasfluss nach Europa kontrollieren. Der russische Energieminister Alexander Nowak bestätigte vorige Woche, dass zwei Pipelinestränge gebaut werden sollen, einer für 15,75 Milliarden Kubikmeter für türkische Verbraucher und ein zweiter für den Transit nach Europa. Beide sollen am Schwarzmeerboden verlegt werden. Da Gasrohre aus verschiedenen Richtungen, etwa aus Aserbaidschan und Iran, in der Türkei zusammenlaufen, würde Ankara zu einer Transitmacht für Gas - anstelle der Ukraine - avancieren.

Der Chef der ukrainischen Naftogas Andrei Kobolew hofft, der Westen werde diesen Plänen den Riegel vorschieben. Das könnte die EU auf dem Sanktionswege tun. Weder Russland noch die Türkei verfügten über die Technologien für den Pipelinebau unter Wasser und seien auf westliche Hersteller angewiesen. Sicher wäre politischer Wille dafür erforderlich, so Nowak. Nächste Woche wird man sehen, ob er vorhanden ist.

Reaktoren für Iran

Bereits am Montag wird Putin in Baku den iranischen Präsidenten Hassan Rohani treffen. Auch hier geht es um Energiefragen. Moskau hat Pläne zum Bau von acht Atomreaktoren im Iran bekräftigt, eine entsprechende Vereinbarung soll bereits erzielt worden sein. Außerdem hat Putin einen russischen Kredit in Höhe von 2,2 Milliarden Euro für iranische Energieprojekte angekündigt. "Wir werden unseren iranischen Partnern weiterhin helfen beim Atomprogramm, einschließlich der Anreicherung von Uran", so der Kremlchef.

Der russische Atomkonzern Rosatom hat den Plan zum Bau von acht Atomreaktoren im Iran bereits veröffentlicht. Demnach geht es um den Ausbau des Kraftwerks Bushehr sowie vier weitere Reaktoren an einem unbestimmten Ort im Iran.