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Angriff von rechts

Von Klaus Huhold

Politik

Die rechtspopulistische AfD könnte bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gar stimmenstärkste Partei werden.


Berlin. Alexander Gauland dämpft die Erwartungen. Es sei unrealistisch, dass die Alternative für Deutschland (AfD) in Mecklenburg-Vorpommern mitregieren könne, sagte der stellevertretende Parteichef. Und das trotz starker Umfragewerte vor der Wahl am Sonntag: Die Rechtspopulisten liegen bei um die 20 Prozent.

Abgesehen davon, dass die AfD wohl kaum jemanden finden würde, der mit ihr im nordöstlichen Bundesland regieren würde, verfolgt Gauland auch eine ganz andere Strategie. Ihm geht es nicht um die Macht auf regionaler Ebene, sondern er will Kanzlerin Angela Merkel in die Knie zwingen. "Unsere Stärke ist, dass wir die Bundestags-Abgeordneten in der Union, die genauso wie wir das alles für völlig falsch halten, die Möglichkeit geben zu sagen: ‚Da seht ihr ja, wo das alles hingeführt hat‘", sagt er. "Und dass es gegen Merkel einen Aufstand innerhalb der CDU gibt. Das wäre das Beste, was wir erreichen können." Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern soll der nächste Schritt dorthin sein.

"Das alles", von dem Gauland spricht, ist ein Synonym für die Flüchtlingspolitik und all die damit einhergehenden Themen wie Sicherheit und Integration. Die politische Debatte in Deutschland ist emotionalisiert wie selten zuvor, und auch Landtagswahlen werden von diesem Thema geprägt und bestimmt.

In Mecklenburg-Vorpommern, wo derzeit eine große Koalition aus CDU und SPD regiert, liegt die AfD laut Umfragen bei 20 bis 23 Prozent der Stimmen. Die CDU kommt auf 20 bis 22, die SPD auf 27 Prozent.

Die AfD könnte damit ausgerechnet in dem Bundesland, in dem Merkel ihren Wahlkreis hat, der CDU eine bittere Niederlage zufügen, indem sie sie vom zweiten Platz verdrängt. Selbst der erste Platz ist für die Rechtspartei nicht ausgeschlossen. Ein Phänomen, das hierzulande von der FPÖ bekannt ist, traf bei so mancher Regionalwahl in Deutschland auch schon auf die AfD zu: Die Partei schnitt am Wahltag besser ab als in Umfragen. So lag sie zuletzt in Sachsen-Anhalt mit mehr als 24 Prozent weit über den Prognosen.

"Asylchaos beenden", lautet eine der zentralen Botschaften des AfD-Spitzenkandidaten Leif-Erik Holm. Laut einer von der "Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen" durchgeführten bundesweiten Umfrage lehnen 99 Prozent der AfD-Wähler Merkels Flüchtlingspolitik ab. Und viele von ihnen sehen sich offenbar in dieser Frage auch nicht von SPD, Grünen oder der Linken vertreten.

In den Aussagen der AfD, die auch schon einmal ein Verbot von Moscheen forderte, kommen Asylwerber fast ausschließlich als potenzielles Sicherheitsrisiko und Angriff auf die deutsche Identität vor. Zudem füttert die Partei vorhandene Ängste durch Verschwörungstheorien. So zitiert "Zeit Online" den AfD-Politiker Christoph Grimm mit der Aussage, dass Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble "den geheimen Plan" verfolgen würden, "dass sich die Nation Deutschland in Europa auflöst, wie ein Stück Würfelzucker im Kaffee".

Grimm tritt ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern an. Dort profitiert die AfD zudem davon, dass es sich um eines der wirtschaftlich schwächsten Bundesländer handelt. Arbeitslosigkeit und Ein-Euro-Jobs gehören in vielen Familien zum Alltag, was der AfD Protestwähler zutreibt.

Die SPD versucht, dem Aufstieg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern die Beliebtheit ihres Ministerpräsidenten Erwin Sellering entgegenzuhalten. Die CDU wiederum will den Rechtspopulisten das Wasser abgraben, indem sie nun selbst das Thema Einwanderung und innere Sicherheit besetzt. So sprach sich Spitzenkandidat Lorenz Caffier für ein Verbot der Vollverschleierung aus.

Annäherung an NPD

Im Bundestag ist die AfD nicht vertreten. Wie weit sie künftig trotzdem Einfluss auf die Bundespolitik nehmen kann, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie viel Bedeutung die anderen Parteien den regionalen Wahlen zuschreiben. Mecklenburg-Vorpommern ist zwar nur ein kleines Bundesland, es wäre aber nicht der erste Erfolg der AfD auf Regionalebene. Als nächster Gradmesser folgt dann am 18. September Berlin, wo die AfD in Umfragen zuletzt zwischen 8 und 15 Prozent schwankte.

Bundesweit liegt die AFD bei elf Prozent - die nächsten landesweiten Wahlen finden im Herbst 2017 statt. "Um auf Dauer zu überleben, muss die AfD sich vom Rechtsextremismus eindeutig abgrenzen und zu einer national-konservativen Partei werden, die im Parteienspektrum rechts von der CDU einzuordnen ist", sagt der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer der "Rheinischen Post". Doch genau damit hat die AfD große Probleme. Nicht nur tauchen immer wieder Berichte über Verbindungen von AfD-Vertretern zu Rechtsextremen auf, fallen AfD-Politiker mit abstrusen Rassentheorien auf. In Mecklenburg-Vorpommern verliert sie auch die Distanz zur rechtsradikalen NPD. Bisher haben alle Fraktionen im Landtag konsequent gegen NPD-Anträge votiert. Die AfD kann sich aber vorstellen, in einzelnen Fragen mit der NPD gemeinsame Sache zu machen und mit ihr zu votieren.