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Kein Ausweg aus dem Chaos

Von WZ-Korrespondent Krsto Lazarevic

Politik

Kroatiens Regierung zerbrach nach nur fünf Monaten, am Sonntag wählen die Bürger abermals.


Zagreb. Es ist gerade einmal zehn Monate her, dass die Kroaten an die Wahlurne gebeten wurden, um ihre Stimme für ein neues Parlament abzugeben. Trotzdem sind die Bürger am Sonntag abermals zur Wahl aufgerufen. Die Regierungskoalition zwischen der nationalkonservativen HDZ und der wirtschaftsliberalen Neopartei "Most" (Brücke) platzte nach gerade einmal fünf Monaten. Doch die kroatischen Parteien haben es nach den vergangenen Wahlen nicht geschafft, eine stabile Regierung zu bilden. Dieses Szenario könnte sich nun wiederholen. Die derzeitigen Umfragen deuten darauf hin, dass sich das Ergebnis wenig von dem vor zehn Monaten unterscheiden wird und Kroatien wieder vor langwierigen und komplizierten Koalitionsverhandlungen steht.

Laut Umfrage des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders HRT käme das von der sozialdemokratischen SDP angeführte Bündnis "Nationale Koalition" auf 62 von 151 Sitzen im Sabor. Außerdem können die Sozialdemokraten mit drei Sitzen der linksliberalen istrischen Partei IDS rechnen. Das Bündnis der HDZ käme auf 55 Mandate, wobei hier wohl noch drei Sitze der Auslandskroaten hinzukommen, die vor allem in Bosnien-Herzegowina die HDZ wählen. Die Linkspartei "Zivi zid" käme auf sechs Mandate, lehnt eine Regierungsbeteiligung aber kategorisch ab. Auch die rechtsextreme HDSSB des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Branimir Glavas würde laut Prognose einen Sitz im Sabor erhalten.

Neopartei Most bleibt wohlder Königsmacher

Wie man die Prognosen auch dreht und wendet, keine der beiden Volksparteien kommt derzeit auf die notwendige Mehrheit von 76 der 151 Sitze im kroatischen Parlament. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Most wieder zum Königsmacher in der Adriarepublik wird.

Most konnte im November 2015 aus dem Stand heraus 19 Sitze holen. Die anfängliche Beliebtheit der Neopartei resultierte daher, dass viele Kroaten die sich wiederholenden Korruptionsaffären und Grabenkämpfe zwischen Linken und Rechten leid sind. Sie wünschen sich eine vermeintlich unideologische Alternative in der Mitte zwischen beiden Volksparteien. Most hat sich anfangs erfolgreich als postideologische Wirtschaftspartei verkauft, obwohl sie ideologisch klar verankert ist. Der Parteivorsitzende Bozo Petrov unterhält enge Beziehungen zur katholischen Kirche und die gesellschaftspolitischen Vorstellungen von Most sind in Teilen erzkonservativ.

An ideologischen Streitigkeiten zerbrach die Koalition mit der HDZ also nicht, sondern an einem Interessenkonflikt des Vizepremiers und damaligen HDZ-Vorsitzenden Tomislav Karamarko. Seine Frau arbeitete als Lobbyistin für den ungarischen Ölkonzern MOL, der sich in einem Schiedsgerichtsverfahren mit dem halbstaatlichen kroatischen Ölkonzern INA befindet. Von 2013 bis 2015 flossen umgerechnet 60.000 Euro für Dienstleistungen an die Agentur Drimia, der Ana Saric Karamarko vorsteht. Dass ausgerechnet Tomislav Karamarko, der sich als großer Patriot inszeniert, seine privaten Interessen vor die des kroatischen Staats stellt, brachte das Fass letztlich zum Überlaufen. Mittlerweile ist Andrej Plenkovic Parteichef.

Most-Parteivorsitzender Petrov sagt, er wolle mit keinen der beiden Volksparteien koalieren, sofern diese nicht auf ein Sieben-Punkte Programm seiner Partei eingehen und dieses noch vor der Regierungsbildung verabschieden. Zwar hat Most aufgrund der Regierungskrise an Beliebtheit eingebüßt und käme laut HRT-Prognose derzeit nur noch auf zwölf Mandate. Die könnten aber entscheidend sein, um eine Regierungskoalition zu ermöglichen.

Die Regierungskoalition aus Most und HDZ forcierte einen massiven Rechtsruck. So wurde ein Kulturminister mit rechtsextremer Vergangenheit ernannt, während Listen von "Volksverrätern" erstellt und Kulturschaffende sowie unabhängige Journalisten gegängelt wurden. Applaus gibt es dafür von Rechtsaußen, während der liberale Teil der kroatischen Gesellschaft immer ungläubiger auf die Entwicklungen im Land blickt. Vor allem Minderheitenvertreter zeigten sich schockiert über Politik und Rhetorik der Regierung. Proponenten der serbischen Minderheit und der jüdischen Gemeinden forderten mehrfach den Rücktritt von Kulturminister Zlatko Hasanbegovic, dem sie vorwerfen, den Holocaust zu relativieren und Sympathien für die Nazikollaborateure der Ustascha zu hegen.

"Kommunisten"gegen "Ustascha"

Die nationalistische Politik und Rhetorik hat zu einer verstärkten Spaltung der kroatischen Gesellschaft beigetragen. Die Anhänger der sozialdemokratischen SDP und der rechten HDZ beschimpfen sich gegenseitig als "Kommunisten" beziehungsweise als "Ustascha". Bei derben persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Spitzenpolitikern der beiden Volksparteien werden selbst die Mütter der Kontrahenten nicht verschont. Unter diesen Umständen ist eine große Koalition wie in Österreich oder Deutschland unwahrscheinlich.

Zudem litt während des Wahlkampfs das Verhältnis zu den Nachbarstaaten Serbien und Bosnien-Herzegowina, welches seit den Jugoslawienkriegen der 1990er Jahren ohnehin nicht das beste ist. Hier tat sich der sozialdemokratische Spitzenkandidat und Ex-Premier Zoran Milanovic hervor. Bei einem Treffen mit kroatischen Veteranen sagte er über Bosnien-Herzegowina: "Das ist kein Land, das ist eine große Scheiße". Ein heimlich mitgeschnittenes Band der nicht öffentlichen Rede wurde der kroatischen Zeitung "Jutarnji List" zugespielt. Die Beziehungen zu Serbien litten wegen der Aufhebung eines Urteils gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Branimir Glavas, der die Tötung von serbischen Zivilisten im Kroatienkrieg der 1990er Jahre angeordnet haben soll, und der juristischen Rehabilitierung von Kardinal Stepinac, dem die Serben vorwerfen, ein Nazikollaborateur gewesen zu sein. Außerdem blockierte Kroatien zeitweise die EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens. Den Streit mit den Nachbarn nutzten beide Volksparteien, um sich im Wahlkampf als heimatliebend zu inszenieren. Gebracht hat es aber offenbar wenig.