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Sind die "Kippers" am Kippen?

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Die britischen Rechtspopulisten von Ukip müssen sich neu orientieren. Wohin soll es - ohne Nigel Farage - nach dem Brexit-Referendum gehen?


London. Sie war die Partei, mit der alles anfing in Sachen Brexit. Ukip, die von Nigel Farage geführte Unabhängigkeits-Partei des Vereinigten Königreichs, verfolgte einen einzigen Zweck. Am Referendumstag im Juni konnten die Rechtspopulisten ihren absoluten Triumph feiern - einen Volksentscheid zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union.

Keine drei Monate später ist die damals siegreiche Partei ins Schlingern geraten. Farage ist abgetreten. Führende "Kippers" liegen miteinander im Streit. Aktivisten kehren massenhaft zurück zu den Konservativen. Der Top-Ukip-Politiker Paul Nutall sieht die Partei "zu Mosaikstückchen" zerfallen. Der frühere Parteidirektor Steve Stanbury ist überzeugt davon, dass Ukip "seine besten Tage hinter sich hat". Ukips Ex-Medienchefin Alexandra Phillips glaubt, dass die Partei sich bereits aufzulösen beginnt.

Phillips und Stanbury haben Ukip nun den Rücken gekehrt und sind zu den Tories übergetreten. "Die Konservativen sind jetzt in einer besseren Position, den Brexit durchzudrücken", erklärte Stanbury. Mit den laufenden Regierungs-Vorbereitungen zum Austritt und dem deutlichen Rechtsruck der Konservativen unter Regierungschefin Theresa Mays ist Ukip in gewisser Hinsicht überflüssig geworden. Die alten Forderungen - Brexit, Abwehr von Migranten, Genehmigung zum Fracking - sind nun auch Tory-Programm.

"Tories tanzen Ukips Tänze"

"Ideologisch gesehen, tanzen die Konservativen jetzt Ukips Tänze", sagt Alexandra Phillips. Wie sie und Stanbury sehen tausende nationalistische und rechtskonservative Briten keinen Grund mehr zum Verbleib. Von den 50.000 Neuzugängen, die die Tories diesen Sommer verzeichneten, rekrutiert sich ein Großteil aus den Reihen der Anti-EU-Partei. Einer, der von all dem unbeeindruckt für den Weitermarsch Ukips plädiert, ist Nigel Farage, der scheidende Parteichef. Auf dem Ukip-Jahreskongress in Bournemouth am Freitag appellierte Farage an die Delegierten, den Konservativen bei der Umsetzung des Brexit genau auf die Finger zu sehen.

Zeichen gebe es schon jetzt dafür, meinte Farage, dass May den Wählerwillen nicht ernst genug nähme. Farage enthüllte, dass er weiter die Ukip-Fraktion im EU-Parlament anführen und überall frei seine Meinung sagen werde. Außerdem will er nationalistischen Bewegungen anderswo in Europa beispringen - und sich weiter zugunsten der Rechten in die US-Politik einmischen. Zur Nachfolgerin Farages wählten die "Kippers" am Freitag Diane James, die ebenfalls im EU-Parlament sitzt. Sie wird als Kompromiss- und mögliche Übergangs-Kandidatin betrachtet. Auch James warnte May, man erwarte "einen hundertprozentigen EU-Exit" von ihr. Nationale Souveränität, ein Schwenk zum Freihandel und uneingeschränkte Grenzkontrollen seien nun angesagt.

Heftig spekuliert wird darüber, ob Farage, der bei Ukip-Wählern beispiellose Popularität genießt, in ein oder zwei Jahren noch einmal antreten könnte. Der reiche Ukip-Gönner Arron Banks ist indes dabei, eine neue populistische Bewegung auf die Beine zu stellen, die Ukip bei Bedarf ablösen könnte. Sie soll eventuell "The People’s Movement", die Volksbewegung, heißen.