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Tausend Fragen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Die EU-Kommission soll Bosnien-Herzegowinas Antrag auf den Beitritt zur Union prüfen.


Brüssel/Sarajevo. Es ist ein kleiner Schritt. Aber nach etlichen Rückschlägen ist es zumindest einer nach vorn. Bosnien-Herzegowinas Antrag auf einen Beitritt zur Europäischen Union soll geprüft werden. Darauf einigten sich die Außen- und Europaminister der EU bei einem Treffen in Brüssel. Das Gesuch, eingebracht im Februar, bleibt also nicht einfach liegen, sondern wird von der EU-Kommission beleuchtet.

Es ist aber erst der Anfang eines langen Prozesses. Zunächst einmal schickt die Kommission einen Fragebogen an die bosnischen Behörden, um festzustellen, wie weit das Land auf die Übernahme des Rechtsbestandes der Union vorbereitet ist. Die Bearbeitung kann Sarajevo bis zu zwei Jahre Zeit kosten: Immerhin enthält das Dokument an die 1200 Fragen. Erst nach deren Beantwortung - und einer neuerlichen Prüfung in Brüssel - können die Außenminister darüber entscheiden, ob Bosnien den Status eines EU-Kandidaten erhält. Danach kann es wieder Jahre dauern, bis die Beitrittsverhandlungen beginnen. Bei Serbien etwa verstrichen fast vier Jahre. Für Montenegro ging es wesentlich schneller: Da lagen nur eineinhalb Jahre dazwischen. Noch gar nicht begonnen haben die EU-Gespräche mit Mazedonien und Albanien.

Doch für Bosnien ist selbst der Kandidatenstatus erst einmal nicht in Sicht. Kaum ein Land in der Region ist auf seinem Weg Richtung EU noch so weit von diesem Ziel entfernt. Lediglich der Kosovo hat eine längere Strecke zurückzulegen. Seine Bürger dürfen nicht einmal ohne Visum in die EU einreisen - eine Hürde, die für die Bewohner aller anderen Balkan-Staaten schon vor einigen Jahren gefallen ist.

Allerdings hat auch kaum ein anderes Land mit derart vielen Problemen zu kämpfen wie Bosnien. Es gibt immense wirtschaftliche Herausforderungen: Die öffentliche Verschuldung ist zuletzt leicht gestiegen, ausländische Investitionen sind zurückgegangen. Jeder vierte Mensch hat keinen Job; unter Jugendlichen ist die Arbeitslosenquote noch höher. Das Durchschnittsgehalt beträgt gerade einmal rund 650 Euro.

Hinzu kommt eine komplexe Verwaltungsstruktur, die Reformen noch schwieriger macht. Neben der Zentraladministration gibt es nämlich die Regierungen der zwei Landesteile, der Republika Srpska sowie der Föderation Bosnien und Herzegowina. Während im Staatspräsidium jeweils ein Repräsentant der serbischen, kroatischen und muslimischen Bosnier vertreten sein soll, lehnen Politiker der Republika Srpska wie Präsident Milorad Dodik das gesamte Gebilde ab und sprechen immer wieder von einer Loslösung des Landesteils.

Umstrittenes Referendum

Dennoch bescheinigt die EU dem Balkan-Staat, dass dieser sich nach vorne bewege. In der Ministererklärung ist sogar von einem "bedeutenden Fortschritt" bei der Umsetzung der Reformagenda die Rede. Als Beispiele werden in Brüssel die Bemühungen zu einer Arbeitsmarkt- und Pensionsreform sowie zu einer besseren Verwaltung der öffentlichen Finanzen, internationale Abkommen zur Polizei-Zusammenarbeit oder ein Aktionsplan zur Korruptionsbekämpfung genannt.

Einiges davon dürfte auch den Internationalen Währungsfonds (IWF) überzeugt haben. Vor nicht einmal zwei Wochen hat der Fonds ein Darlehen freigegeben, das wegen verzögerter Reformen eingefroren war. Die Kredite im Umfang von rund 550 Millionen Euro sollen der Ankurbelung der Wirtschaft dienen. Die erste Tranche in Höhe von fast 80 Millionen Euro kann nun ausgezahlt werden, die nächsten Raten sind auf einen Zeitraum von drei Jahren aufgeteilt.

All das ändert aber nichts an den eigenen Plänen von Präsident Dodik. Er hält an dem umstrittenen Vorhaben fest, am Sonntag ein Referendum in der Republika Srpska durchführen zu lassen. Die Befragung betrifft den Nationalfeiertag am 9. Jänner, der nur in der serbischen Landeshälfte - und vor allem von den Serben dort - begangen wird. Das Verfassungsgericht in Sarajevo hat im Vorjahr die Verlegung des Feiertags verlangt und erst vor wenigen Tagen die Abstimmung für verfassungswidrig erklärt. Die Kampagne für das Referendum wurde in der Republika Srpska kurz darauf noch verstärkt.