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"Die Lage ist brandgefährlich"

Von Michael Schmölzer

Politik

Debatte über EU-Armee stand im Zeichen zahlloser neuer Risiken.


Wien. Wird es bald eine schlagkräftige EU-Armee geben, an der das österreichische Bundesheer beteiligt ist? Diese und weitere sicherheitspolitische Fragen wurden am Mittwoch im Haus der Europäischen Union debattiert - mit interessanten Schlussfolgerungen. So stellte Generalmajor Johann Frank im Namen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil klar, dass eine supranationale EU-Armee mit Hauptquartier in Brüssel und unter Brüsseler Kontrolle mit der österreichischen Neutralität nicht vereinbar wäre. Diverse Formen der EU-weiten Kooperation sehr wohl. Diese werde schon praktiziert, so sei Österreich der fünftgrößte Truppensteller bei von der EU geführten Militärmissionen.

Nächste Woche, Dienstag, kommen die EU-Verteidigungsminister jedenfalls zu einem informellen Treffen in Bratislava zusammen, ein gemeinsamer europäischer Verteidigungsplan steht auf der Tagesordnung sowie die Zusammenarbeit der EU mit der Nato. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird deshalb in die slowakische Hauptstadt reisen. Wobei mit dem nahenden EU-Austritt Großbritanniens der größte Bremser in Sachen eigene EU-Armee weggefallen ist. Laut der ehemaligen österreichischen Top-Diplomatin Eva Nowotny ist der Brexit verteidigungspolitisch gesehen trotzdem ein großer Verlust für die EU. London habe die größte und schlagkräftigste Armee und eine globale Perspektive; das gehe nun verloren.

Für Generalmajor Frank ist die EU einerseits der "wichtigste Handlungsrahmen" für das Bundesheer, andererseits aber auch "der größte Unsicherheitsfaktor". Wie sich die politische Integration in den kommenden Jahren entwickle, stehe völlig in den Sternen. Von einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten bis zu einer Ausweitung der derzeitigen Existenzkrise sei alles denkbar. Wo Europa nicht handlungsfähig sei, müssten nationale Maßnahmen gesetzt werden - wie im Fall der Flüchtlingskrise vorexerziert wurde.

Einig war man sich im Haus der Europäischen Union - auch Ex-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager diskutierte mit - dass die verteidigungspolitischen Risikofaktoren in den letzten Jahren enorm zugenommen hätten. Nowotny sprach von einem "Ring an Krisenherden" rund um Europa, die "brandgefährlich" seien. Zu den neuen Unsicherheitsfaktoren gesellten sich jetzt auch die USA, wo ein Wahlsieg des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nicht auszuschließen sei. "Früher war alles klar, heute ist nichts klar", brachte es Frischenschlager auf den Punkt. Europa sei von Gewalt umgeben und müsse im Fall von Gewaltanwendung auch zu "Notwehr" als letztes Mittel greifen.