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Ärger über Ramschstatus

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Herabstufung durch Ratingagentur Moody’s kann dramatische Folgen für die Türkei haben, die auf ausländisches Kapital angewiesen ist.


Istanbul. Verärgert reagierten türkische Politiker und Medien auf die Herabstufung der wirtschaftlichen Bonitätsnote des Landes durch die Ratingagentur Moody’s. Die US-amerikanische Firma hatte am Freitag die Türkei um eine Stufe auf "Ba1" und damit auf "Ramsch"-Niveau gesenkt. Die Entscheidung kann dramatische Folgen für die türkische Wirtschaft haben, die auf ausländisches Kapital angewiesen ist. Moody’s begründete die schlechte Benotung mit dem langsamen Wirtschaftswachstum, dem weiterhin schlechten Investitionsklima und vor allem mit gestiegenen innenpolitischen Risiken nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli.

Die Märkte reagierten prompt. Am Montag fielen türkische Aktien um vier Prozent, der größte Einbruch seit dem Putschversuch. Auch Staatsanleihen und die Türkische Lira gerieten unter Druck. Entsprechend groß war die Aufregung in der Hauptstadt Ankara. Ministerpräsident Binali Yildirim sprach von einer "Operation gegen die türkische Wirtschaft". Sie sei nicht gerechtfertigt, denn die Ökonomie sei stark und habe stetiges Wachstum. Die regierungsnahe Presse sieht eine internationale Verschwörung am Werk. Nachdem der militärische Putsch fehlschlug, folge jetzt ein "Finanzputsch" aus Amerika, schreibt die Zeitung Star, und Aksam vermutet hinter dem "Anschlag" durch Moody’s die islamische Gülen-Bewegung, welche die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht.

Tatsächlich aber war die Entscheidung der Ratingagentur absehbar, denn schon im Juli hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit der Türkei auf "BB" gesenkt und damit tiefer in den Ramschbereich gesetzt. Das Problem: Viele große Investmentfonds sind verpflichtet, ihre Einlagen abzuziehen, wenn zwei der drei großen Ratingagenturen einen Staat auf "Schrott"-Niveau einstufen.

"Verwundbarkeit verstärkt"

Der Türkei, einst für ihr Wirtschaftswunder gerühmt, könnte deshalb eine Kapitalflucht ungekannten Ausmaßes drohen. Experten erwarten, dass die Fonds jetzt bis zu 10 Milliarden US-Dollar abziehen. Das Land braucht aber ausländisches Kapital, denn die Sparquote ist gering, die Abhängigkeit von Rohstoffimporten hoch. Um in einer solchen Lage trotzdem Investoren anzulocken, bieten Risikoländer normalerweise höhere Zinsen - doch dieses Instrument hat Erdogan den türkischen Bankern verboten. "Ausländische Fonds werden aber kaum in ein Land gehen, in dem die Zinsrate von Erdogan diktiert wird", kommentiert die Zeitung "Cumhuriyet".

Sie werden auch kaum in einem Land investieren, in dem Eigentumsrechte von Unternehmen nicht mehr garantiert sind. Seit dem Putschversuch wurden dutzende Firmen enteignet, weil sie der Gülen-Bewegung nahestehen sollen. Moody’s warnt, dass anhaltende "Säuberungen" und die Schwächung der Rechtssicherheit das Vertrauen der Anleger minderten. Zudem seien die Auslandsschulden von Regierung, Unternehmen und Bankensektor gestiegen, was das Risiko abrupter Kapitalabflüsse verstärke.

Auf der Habenseite verbucht Moody’s die verantwortungsvolle Haushaltspolitik und das positive Wirtschaftswachstum, weshalb die Agentur den Ausblick weiter als "stabil" bewertet. Ob das reicht? Laut Moody’s sind statt der 5,5 Prozent, mit denen die Wirtschaft im Schnitt zwischen 2010 und 2014 gewachsen ist, bis 2019 nur noch 2,7 Prozent zu erwarten. "Noch besteht keine akute Gefahr, denn unsere Wirtschaftsdaten sind ganz okay", sagt der prominente türkische Wirtschaftsjournalist Emre Deliveli. "Aber die Herabstufung durch Moody’s hat die Verwundbarkeit der Türkei deutlich verstärkt. Das Risiko ist gestiegen, dass interne oder internationale Faktoren eine echte Krise hervorrufen."