Madrid. Sie müssen sich neu sortieren: Nach dem Rücktritt ihres Parteichefs Pedro Sanchez stellen die spanischen Sozialisten (PSOE) ihre Position zu der seit gut neun Monaten stockenden Regierungsbildung auf den Prüfstand. Der in der Nacht zum Sonntag nach einem chaotischen Treffen des PSOE-Bundeskomitees gewählte Interimsvorstand der Partei trat am Montag in Madrid erstmals zusammen. Die zehn Mitglieder wollten sich über einen Termin für ein neues Treffen des Komitees einigen, das dann über die Position der Partei beraten soll.

Sanchez hatte seit Ende 2015 eine neue Amtszeit des geschäftsführenden konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy blockiert. Das war einer der gewichtigsten Gründe, warum sich innerhalb hochrangiger Parteimitglieder derart viel Widerstand gegen Sanchez aufgebaut hatte, dass dieser sich am Wochenende zum Rücktritt gezwungen sah. Doch damit ist noch nicht klar, ob die PSOE nun Rajoy eine weitere Amtszeit ermöglicht.

Keine tragfähige Regierung

Das ist die Ausgangslage: Die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hat seit der Parlamentswahl vom 20. Dezember wegen einer Pattsituation keine voll funktionstüchtige Regierung mehr. Premier Rajoy ist seitdem nur noch geschäftsführend im Amt. Seine konservative Volkspartei (PP) ging zwar bei den Parlamentswahlen erneut als stärkste Kraft hervor. Sie konnte aber, insbesondere wegen Sanchez’ Weigerung, ein Bündnis zwischen PP und PSOE zu schmieden oder zumindest eine Minderheitsregierung unter Rajoy zu tolerieren, keine tragfähige Regierung bilden. Wenn bis zum 31. Oktober keine Lösung gefunden wird, steht voraussichtlich im Dezember die dritte Parlamentswahl binnen eines Jahres an. König Felipe VI. müsste für den ersten Weihnachtstag erneut Neuwahlen ansetzen.

Sanchez wurde vorgeworfen, dass er mit seiner Blockadehaltung Wähler vergräme und somit Verluste bei den Regionalwahlen in Galicien und im Baskenland zu verantworten habe. Zunächst war angenommen worden, dass mit dem Rücktritt von Sanchez die PSOE mit der PP zusammenarbeiten wird. Doch nun werden Stimmen laut, die warnen, dass auch das womöglich gefährlich für die Partei ist.

"Die Sozialisten haben keine politische Option, die frei von Risiko ist", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den Politanalysten Vencenzo Scarpetta von der Denkfabrik Open Europe. Scarpetta bemüht dabei das Beispiel der griechischen Pasok. Diese entschied 2012, sich an einer von den Konservativen angeführten Regierung zu beteiligen. Das brachte ihr derartige Stimmverluste ein, dass sie zur Kleinpartei schrumpfte - und von der weiter links stehenden Syriza überflügelt wurde. Ein ähnliches Szenario droht in Spanien, wo mit Podemos ebenfalls eine Protestbewegung bereitsteht, von den alteingesessenen Sozialisten das linke Erbe zu übernehmen.