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Keine Zeit für Spiel auf Zeit: Karlsruhe entscheidet über Ceta

Von Konstanze Walther

Politik

Deutsches Bundesverfassungsgericht will am Donnerstag über einen vorläufigen Stopp des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada urteilen.


Karlsruhe/Wien. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anzurufen, ist in Deutschland inzwischen ein beliebter Sport geworden, um Entscheidungen der Europäischen Union aufzuheben. Der Paradefall: das jahrelange Herumgezerre um die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank EZB. Zur Erinnerung 2012 hat die EZB beschlossen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, um dem Spekulieren auf die Liquidität von EU-Ländern einen Rahmen vorzuschieben. Tatsächlich umgesetzt wurde diese Ankündigung nie, doch sie hat gereicht, um die Märkte zu entspannen.

Trotzdem sah in Deutschland so manch einer die Gefahr einer verbotenen Staatsfinanzierung - vor allem natürlich für die Krisenländer, die unter den zum Teil hausgemachten Schulden litten. Die Empörung darüber führte schließlich zur Gründung der EU-kritischen Partei Alternative für Deutschland, AfD, ein Becken, in dem sich einige wiederfanden, die in Karlsruhe 2012 Beschwerde gegen die EZB-Politik eingelegt hatten. Die Linke war übrigens ebenfalls mit an Bord bei der Anrufung der Richter in Baden Württemberg.

Karlsruhe schob die Entscheidung damals zuerst dem Europäischen Gerichtshof zu (zur Vorlage), der schob sie wieder zurück nach Karlsruhe, und schließlich entschieden die deutschen Höchstrichter heuer im Juni, vier Jahre später, endgültig: Die EZB-Politik ist mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar. Unter Auflagen - ein wichtiger Passus, um alle zu befrieden, dürfe die EZB Staatsanleihen ankaufen -, das Volumen müsse festgesetzt werden, die Behaltefrist muss einem Minimum genügen, um nicht als Spekulation durchzugehen.

Nun wurde Karlsruhe wieder zu einem brennenden Thema angerufen: Ceta, das Freihandelsabkommen mit Kanada. Diesmal sollen in einer ersten Runde einmal Eilanträge zum Stopp des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada geprüft werden - dieses Ergebnis soll schon heute, Donnerstag, veröffentlicht werden.

Werden die Eilanträge zum Stopp abgewiesen, muss das aber nicht unbedingt eine Ablehnung der Verfassungsbeschwerden bedeuten. Das Gericht könnte auch Bedingungen formulieren, unter denen das Grundgesetz mit Ceta gewahrt wäre. Nach dem Schema EZB-Politik.

Außenpolitische Auswirkungen - made in Baden Württemberg

Damals wie heute ist Andreas Voßkuhle der Gerichtspräsident in Karlsruhe. Er versprach am Mittwoch, angesichts der gravierenden Folgen einer solchen Entscheidung über einen Stopp der Verhandlungen, einen strengen Maßstab anzulegen. Der strenge Maßstab "gilt ganz besonders, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Außenwirkungen in Rede steht", sagte Voßkuhle zum Auftakt der Verhandlung.

Die Kläger sind diesmal ein Bündnis der Initiativen Mehr Demokratie, Foodwatch und Campact sowie die pensionierte Musiklehrerin Marianne Grimmenstein-Balas aus Lüdenscheid, die alleine 68.000 Bürger als Mitkläger gewann - insgesamt summieren sich die Kläger auf 190.000 Personen. In der Klageschrift wurde geltend gemacht, dass das Demokratieprinzip, wie das Wahlrecht untergraben werden, auch die Schiedsgerichte sind den Klägern ein Dorn im Auge.

Beobachter sind über die diesmal so rasche Anberaumung der Verhandlungen sowie die kommende rasche - wenn auch vorläufige - Entscheidung verwundert. Es sei vielleicht tatsächlich ein verfassungsrechtliches Problem im Ceta-Vertragswerk gefunden worden, heißt es. Anderseits: Der 18. Oktober, der Tag, an dem man in der EU Ceta zustimmen will, naht in Riesenschritten.

Die Richter ließen sich am Mittwoch jedenfalls besonders die Auswirkungen eines einstweiligen Spruchs abklären. Könnte Deutschland aus Ceta noch hinaus, wenn Karlsruhe die Verhandlungen einstweilen zulässt? Die Antwort deutete auf Ja. Was wäre, wenn Karlsruhe die Verhandlungen stoppt? Damit liege das ganze Abkommen wieder auf Eis, denn in der EU müsse man Ceta einstimmig zustimmen.

"Der Schaden für das Ansehen der EU und der Bundesregierung wäre gigantisch", warnte daher der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der die Berliner Regierung vor Gericht vertrat. "Für Europa wäre das eine Katastrophe."