Zum Hauptinhalt springen

Wahlkampf der kleinen Gemeinheiten

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Die sieben Bewerber der französischen Republikaner um das Präsidentenamt stellen sich einer ersten TV-Debatte.


Paris. Er mache keinen Wahlkampf mit "kleinen Sätzen" und Gemeinheiten, die den Gegner verunglimpfen, versicherte Nicolas Sarkozy vor ein paar Tagen kurz vor einem Auftritt vor Anhängern. Und präsentierte sich wie ein Politiker, der über politischen Kleinigkeiten steht. Denn: "Frankreich hat zu viele andere Sorgen." Wenn "Monsieur Juppé" sich auf dieses Niveau begeben wolle, bringe das die Debatten nicht gerade voran, erklärte Sarkozy mit Blick auf den früheren Premier- und Außenminister Alain Juppé, seinen schärfsten Rivalen im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der konservativen Republikaner.

Als er dann auf der Bühne stand und sich wie ein Rockstar feiern ließ für die überwältigende Energie, die sein Markenzeichen ist, verkniff sich der 61-jährige Ex-Präsident dann doch nicht die eine oder andere Gemeinheit. "Man darf nicht mehr über Identität sprechen - außer wenn sie glücklich ist! Hurra, es gibt noch einen ahnungslosen Idioten", giftete er unverhohlen gegen Juppé und dessen Konzept von der "glücklichen Identität", um Frankreich aus der moralischen Krise zu befreien. Bei Sarkozy herrsche wohl "Panik an Bord", gab der Verspottete süffisant zurück.

Die Messer sind gewetzt, lange bevor die Republikaner Ende November ihren Kandidaten für die französischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 küren. Erstmals dient dafür eine Vorwahl, an der sich nicht nur Parteimitglieder, sondern alle Sympathisanten beteiligen dürfen. Diese könnte bereits eine Vorentscheidung sein - denn die Sozialisten haben kaum Chancen auf einen Sieg, ob François Hollande nun erneut antritt oder nicht. Der Präsident ist derart geschwächt, dass auch er sich in einer Vorwahl stellen muss, die im Januar stattfindet.

Große Abscheu voreinander

Bei den Republikanern bewerben sich sieben Kandidaten, darunter mit Ex-Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet eine einzige Frau, die sich heute, Donnerstag, erstmals in der Fernsehdebatte gegenüberstehen. Und sich dabei nichts schenken werden. Denn die Bewerber, zu denen auch Ex-Premierminister François Fillon und Ex-Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire zählen, vereint neben der Parteizugehörigkeit eine ausgeprägte Abscheu voreinander. Die fiesen "kleinen Sätze", die wehtun sollen, rauschen nur so durch die Medien - das gibt einen Vorgeschmack auf die kommenden Wahlkampf-Wochen.

Dabei zeichnet sich ein Duell zwischen Sarkozy und Juppé ab, der in Umfragen klar vorne liegt und zuletzt seinen Vorsprung noch ausbauen konnte. Je mehr Franzosen sich an der Vorwahl beteiligen, desto höher erscheinen Juppés Gewinnchancen - denn während Sarkozy auf einen harten Kern bedingungsloser Anhänger in der eigenen Partei bauen kann, erhält der 71-jährige Juppé mit seiner moderaten Haltung auch Sympathien über das bürgerlich-rechte Lager hinaus. Umfragen zufolge könnten bis zu zehn Prozent Links-Wähler bei den Vorwahlen der Republikaner mitmischen - allein, um einen Präsidenten Sarkozy zu verhindern. Dieser verschärft zur Abgrenzung seinen Ton und nähert sich bei den Themen Einwanderung und innere Sicherheit der Haltung des rechtsextremen Front National an. Nun schlug er ein Referendum über Familiennachzug von Einwanderern vor sowie eine präventive Inhaftierung von Terrorverdächtigen ohne Verurteilung - während Juppé auf die Regeln des Rechtsstaates und den Ermessensspielraum der Richter verweist.

Neue Hoffnung in alte Politiker

Die wirtschaftlichen Programme der Bewerber unterscheiden sich weniger voneinander: Alle Republikaner kündigen Steuersenkungen, eine Rentenreform und eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes mit dem Ende der 35-Stunden-Woche an. Entscheiden wird aber, wer den verdrossenen Franzosen wieder Hoffnung und Vertrauen in ihr Land und die Politiker geben kann. Paradoxerweise reduziert sich die Auswahl dabei ausgerechnet auf Sarkozy als abgewählten Ex-Präsidenten einerseits, der viele der heutigen Probleme Frankreichs mit verantwortet - und Juppé andererseits, der seit 40 Jahren die französische Politik mitbestimmt.

Außerdem bringt beide die Forderung von Mitbewerber Le Maire in die Bredouille, alle Kandidaten sollen ihre Strafregister vorlegen - die ohnehin bekannt sind. So wurde Juppé 2004 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und als langjährige rechte Hand von Ex-Präsident Jacques Chirac zur Verantwortung gezogen: Dieser ließ als Pariser Bürgermeister fiktive Posten auf Kosten der Stadt schaffen. Juppé erwiderte, es sei besser "in juristischer Hinsicht eine Vergangenheit zu haben als eine Zukunft". Er zielte damit auf Sarkozy, der in ein knappes Dutzend Affären verwickelt ist, in denen die Justiz ermittelt. Verfahren laufen bereits wegen des Verdachts der Korruption und Einflussnahme auf einen hohen Justizbeamten sowie im Skandal um einen Millionenbetrug bei der Finanzierung seines Wahlkampfs 2012.

"Wer hätte sich laufende Ermittlungsverfahren gegen General Charles de Gaulle vorstellen können?", stichelte François Fillon kürzlich. Es war einer dieser genau platzierten "kleinen Sätze", die treffen sollen - und die längst den französischen Wahlkampf charakterisieren.