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Pakte gegen Migration

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

In ihren Bemühungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise will die EU mit Afrika kooperieren.


Brüssel/Luxemburg. Es brauche nun einmal seine Zeit. Der Satz ist aus den EU-Institutionen immer wieder zu hören, wenn es um die Umsetzung des Programms zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geht. Zeit sei nötig, bis sich all die Elemente zusammen fügen, bis all die Rädchen des Mechanismus‘ ineinandergreifen. Denn es ist eine umfassende Strategie: Sie reicht von Plänen zur Verteilung zehntausender Schutzsuchender innerhalb der Union über eine Annäherung der Asylsysteme der einzelnen Mitgliedstaaten bis hin zu Maßnahmen für eine verstärkte Sicherung der Außengrenzen der Gemeinschaft.

Auf den letzten Punkt haben sich die Länder auch rasch wie selten geeinigt: Von der Präsentation des Vorschlags der EU-Kommission dazu über die Diskussion mit dem EU-Parlament und den Staaten bis hin zum Beschluss verstrichen nur einige Monate. Seit der Vorwoche ist die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit mehr Kompetenzen ausgestattet; bis Ende des Jahres soll sie über eine Personalreserve von 1500 Grenzschützern verfügen, die in Krisensituationen schnell zu Einsätzen geschickt werden können.

Bessere Grenzsicherung ist aber auch der einzige Punkt, wo die Mitglieder derzeit auf einen gemeinsamen Nenner kommen können. Das Vorhaben einer verpflichtenden Quote zur Verteilung der Flüchtlinge ist am Widerstand mehrerer Länder gescheitert, und selbst die Umsiedlung der Schutzsuchenden von Griechenland und Italien aus geht nur unter Mühen voran. Erst ein paar tausend Menschen haben die anderen Staaten aufgenommen, wobei sich einige von ihnen überhaupt weigern, an dem Programm teilzunehmen.

Österreich ist von der Regelung übrigens vorübergehend ausgenommen. Denn dort wurden schon im Vorjahr etwas mehr als 90.000 Asylanträge gestellt, und derzeit gibt es jede Woche noch immer an die 600 Ansuchen.

Innenminister tagen

Unterdessen pochen Ankunftsländer wie Italien und Griechenland auf mehr Unterstützung. Denn auch wenn in Griechenland die Zahl der irregulär eingereisten Migranten seit der Schließung der Balkan-Route und dem Inkrafttreten des Rücknahme-Abkommens mit der Türkei mittlerweile auf hundert Menschen pro Tag gesunken ist, sind die Aufnahmezentren auf den Inseln mehr als ausgelastet. Und nach Italien gelangen weiterhin tausende Schutzsuchende über das Mittelmeer: Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR waren es heuer mehr als 131.000 Menschen. So gut wie alle, an die 90 Prozent von ihnen, wurden nach Rettungsaktionen auf See nach Italien gebracht. Nach Frontex-Angaben wurden in diesem Jahr mehr als 90.000 Migranten im Mittelmeer gerettet.

Die Situation in ihren Ländern werden die Innenminister aus Rom und Athen denn wohl auch ansprechen, wenn sie am heutigen Donnerstag mit ihren EU-Amtskollegen in Luxemburg zusammenkommen. Das Thema Flucht und Migration steht nämlich im Mittelpunkt der Sitzung. Beschlüsse werden aber nicht erwartet, vielmehr sind Berichte zum Stand der Dinge geplant.

Zwar gibt es etwa bei der Umsiedlung von Flüchtlingen oder der Rückführung von Menschen ohne Anspruch auf Asyl kaum Fortschritte zu verzeichnen. Doch scheint zumindest die Bedeutung eines weiteren Elements der Migrationsstrategie immer mehr erkannt zu werden. Wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern sei, werde den EU-Staaten immer bewusster, heißt es aus Diplomatenkreisen.

Die EU-Kommission hat sogenannte Migrations-Partnerschaften mit fünf afrikanischen Ländern vorgeschlagen: mit Äthiopien, Mali, Senegal, Niger und Nigeria. Die Pakte sollen der Bekämpfung von Fluchtursachen aber auch von Schlepperringen dienen. Die Maßnahmen sollen Flüchtlingen ermöglichen, nahe ihrer Heimat zu bleiben und gefährliche Überfahrten zu vermeiden.

Die Herausforderungen, denen sich die afrikanischen Staaten stellen müssen, sind jedoch unterschiedlich. Das müssen die Verträge berücksichtigen, die individuell zu gestalten seien, wird in der Kommission betont. Eines wird aber klargestellt: Das EU-Abkommen mit der Türkei, das Finanzhilfe oder Rückführungen und Umsiedlung von Syrern vorsieht sowie die Befreiung von der Visumpflicht für türkische Bürger in Aussicht stellt, sei kein Maßstab für andere Vereinbarungen. Das sei ein Spezialfall.