Madrid. (wak/dpa) Zerknirscht stimmte der Bundesvorstand der spanischen Sozialisten schließlich dafür, eine Minderheitsregierung der ihnen verhassten Konservativen zu dulden. Für die Arbeiterpartei PSOE hatte sich das Votum am Wochenende für eine Wahl zwischen Pest und Cholera gestaltet: Alles andere als eine Aufgabe ihres Widerstandes gegenüber den Konservativen hätte bedeutet, dass die Spanier zum dritten Mal wählen müssten, und da hätten die Sozialisten Umfragen zufolge wieder deutlich an Stimmen verloren, nachdem sie im Laufe dieses Jahres immer mehr das Image der Verhinderer bekommen haben. Die PSOE hätte bei einem nochmaligen Urnengang wohl ihren zweiten Platz an die linke Protestpartei Podemos verloren.
Nach dem Votum der noch zweitgrößten Partei vom Wochenende hat, wie es in der parlamentarischen Monarchie üblich ist, König Felipe VI. zweitägige Konsultationen mit den Parteichefs aufgenommen. Der Monarch empfing am Montag im Zarzuela-Palast zunächst die Vertreter der kleineren Parlamentsfraktionen. Am Dienstag soll die Gesprächsrunde mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy abgeschlossen werden. Es gilt als sicher, dass Felipe danach den konservativen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen wird.
Vor Beginn seiner zweiten Amtszeit muss sich Rajoy zunächst einer Abstimmung im Parlament stellen. Da im ersten Wahlgang der Kandidat eine für Rajoy unerreichbare absolute Mehrheit der Ja-Stimmen benötigt, wird die Regierung wohl erst nach der zweiten Abstimmungsrunde, bei der eine einfache Mehrheit ausreicht, stehen. Diese könnte am Samstag oder Sonntag stattfinden.
Wegen einer Pattsituation hat Spanien seit der Wahl im Dezember 2015 keine voll handlungsfähige Regierung. Rajoy ist seitdem nur noch geschäftsführend im Amt. Bei der Neuwahl am 26. Juni hatte sich Rajoys Volkspartei (PP) als stärkste Kraft behauptet, die im Dezember verlorene absolute Mehrheit aber erneut verpasst.
Der künftige "Leidensweg"
Dass Spanien nun eine Regierung bekommt, ist zumindest ein Anfang. Viele zweifeln aber, dass sie lange halten wird. Der Chef der Sozialisten in der Region Katalonien, Miquel Iceta, der gegen die Duldung der Konservativen war, hat bereits gedroht, gegen den von den Konservativen geplanten Sparhaushalt 2017 zu votieren. "In einem, spätestens in zwei Jahren wird es Neuwahlen geben", warnt der 56-Jährige. Der Haushalt, der Anfang 2017 durchgebracht werden soll, ist immens wichtig. Die von Brüssel unter Androhung von Sanktionen angemahnten neuen Reformen und Sparmaßnahmen hatte der Schuldensünder mit der Interimsregierung, die keine Gesetze verabschieden darf, bisher nicht auf den Weg bringen können. Dass es Rajoys Volkspartei (PP) mit den 137 Abgeordneten im 350-köpfigen Congreso de los Diputados in Zukunft schafft, bezweifeln viele - auch innerhalb des PP.
Die Zeitung "La Vanguardia" zitierte am Sonntag Parteikollegen Rajoys, die anonym von einem bevorstehenden "Leidensweg" sprechen.
Diejenigen im Bundeskomitee der PSOE, die den Konservativen das Verbleiben im Regierungspalast Moncloa ermöglichten, können keinesfalls als potenzielle Verbündete der PP betrachtet werden. Im Gegenteil. Nach einer Analyse der spanischen Nachrichtenagentur EFE schärfen diese ihre Waffen. Viele hätten einer schwachen Rajoy-Regierung den Vorzug vor Neuwahlen gegeben, um mit Hilfe anderer Gruppierungen wie Podemos "das PP-Werk (der Jahre 2011-2016) zu zerstören". Ganz oben auf der Liste: die vielen Kürzungen der letzten Jahre, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie umstrittene Sicherheits- und Bildungsgesetze.
Die Regierungskrise hat unterdessen große Fonds nicht davon abgeschreckt, auf Assets zu setzen, deren Preise sich noch im Keller befinden. Ende vergangener Woche hat etwa die Tochter der Deutschen Bank ihr Portfolio in Spanien verschlankt und giftige Papiere im Wert von 500 Millionen Euro an den nordamerikanischen Fonds Oaktree verkauft - einer der größten Hedgefonds der Welt. Das spanische Internetportal "Vozpopuli" geht davon aus, dass Oaktree 200 Millionen für die Papiere zahlt.