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Bankenreform mit Tücken

Von Tom Körkemeier und Andreas Kröner

Politik

Die EU-Kommission will Auflagen für Großbanken aus Drittländern wie den USA verschärfen.


Brüssel/Frankfurt. (reu) Im Streit über Regeln für Großbanken weltweit gehen Europäische Union und USA immer mehr auf Konfrontation. Die EU-Kommission will Institute aus Drittstaaten, die eine Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro haben, dazu verdonnern, ihre Ableger in der EU eigenständig aufzustellen und mit mehr Eigenkapital auszustatten. Damit würde sie heimische Banken im Wettbewerb mit Geldhäusern aus den USA und nach einem Brexit auch aus Großbritannien stärken.

Für große europäische Banken wie die Deutsche Bank gibt es in den USA seit zwei Jahren bereits ähnliche Anforderungen. Darauf hat Brüssel nun reagiert. "Das sieht aus wie eine Vergeltungsmaßnahme", sagte ein hochrangiger deutscher Regulierungsexperte Reuters. So werde es vermutlich schwerer, sich mit Amerika auf neue weltweite Kapitalregeln zu einigen, die in der Branche "Basel IV" genannt werden.

Die EU-Kommission schlug in ihrem mehrere hundert Seiten umfassenden Maßnahmenkatalog, der am Mittwoch in Brüssel vorgestellt wurde, zudem Änderungen an der Bankenabwicklungsrichtlinie BRRD und Ausnahmen für kleine und mittelgroße Institute vor, um internationale Vereinbarungen des Baseler Bankenausschusses umzusetzen und zugleich die Kreditvergabe in Teilen der Eurozone anzukurbeln.

Kein Vetorecht Londons

Die Pläne der EU-Kommission müssen noch von EU-Parlament und EU-Mitgliedsländern genehmigt werden. Im EU-Rat ist dafür eine qualifizierte Mehrheit nötig - Großbritannien alleine kann das Vorhaben somit nicht verhindern. Das Maßnahmenpaket sei nicht auf den Brexit zugeschnitten, sagte der für die Finanzmärkte zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. Die Befürchtung, dass die USA unter dem gewählten Präsidenten Donald Trump die Bankenregulierung verwässern und damit den Instituten von der Wall Street einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könne, teile er nicht: "Wir gehen davon aus, dass sich unsere internationalen Partner an die weltweit vereinbarten Standards halten." Trump hat angekündigt, nach der Finanzkrise beschlossenen Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen.

Ausländische Banken, die in Europa eine Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro haben, brauchen nach dem Willen der EU-Kommission künftig dickere Kapitalpuffer. Zudem sollen sie eine neue Einrichtung zwischen den Mutterkonzern und seine EU-Ableger schalten. Diese Holding soll mit so viel Kapital ausgestattet sein, dass sie wie eine eigenständige Firma aufgestellt ist - unabhängig davon, wie solide das Mutterhaus im Ausland dasteht. Im Falle einer Schieflage wäre die Abwicklung der EU-Tochter dann einfacher. Sollten die Vorschläge umgesetzt werden, dürften die Kosten für US-Großbanken wie JPMorgan, Goldman Sachs oder Citigroup bei Geschäften in der EU steigen. Unter den in den USA bereits geltenden Regeln ächzen umgekehrt schon länger Geldhäuser aus der EU, unter anderem die Deutsche Bank.

Sobald Großbritannien aus der EU ausgetreten ist, würden die Anforderungen auch führende britische Institute wie HSBC und Barclays treffen. Sie fürchten bereits jetzt, den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu verlieren, falls die britische Regierung in den voraussichtlich im Frühjahr 2017 beginnenden Austrittsverhandlungen keine Sonderregeln herausschlägt. Das gilt auch für große amerikanische und asiatische Banken, die ihr Europa-Geschäft bisher von London aus steuern.

Basel-IV-Treffen nächste Woche

Der Vorschlag der EU-Kommission kommt wenige Tage vor einem wichtigen Treffen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Er will am 28. und 29. November in Chile über neue Kapitalregeln für Banken entscheiden. Bisher liegen die Positionen Europas und der USA weit auseinander. Nach dem Trump-Sieg bei der US-Wahl gibt es in Europa ohnehin Zweifel, ob die amerikanischen Abgesandten überhaupt noch die Rückendeckung haben, einem folgenreichen Kompromiss zuzustimmen. "Die amerikanische Seite ist derzeit sehr schwer einzuschätzen", sagt ein EU-Bankenaufseher. "Wir müssen uns da überraschen lassen."

Streit innerhalb der EU

Die EU-Kommission schlägt auch vor, neben Eigenkapitalregeln auch die Abwicklungsvorschriften für Banken anzupassen. Bankenaufseher sollen künftig das Recht erhalten, die Auszahlung an bestimmte Gläubiger einer Bank auszusetzen, falls das Geldhaus in Schieflage geraten ist. Zudem sollen die Regeln an bestimmten Stellen klarer formuliert werden, um Investoren außerhalb der EU mehr Rechtssicherheit zu geben. Ein Vertreter der deutschen Regierung bemängelte indes, dass das Risiko in den Bankbilanzen mit den neuen Regeln zu wenig reduziert wird. Damit deuteten sich lange Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern im EU-Rat an, da manche südeuropäischen Staaten bereits jetzt bestimmte Auflagen als Belastung für ihre Institute ansehen.

Darüber hinaus sollen kleineren Banken mehr Freiräume bei der Kreditvergabe für den Mittelstand gelassen werden. Diese Institute können demnach Darlehen an kleinere und mittelgroße Unternehmen (KMU) nach dem sogenannten KMU-Skalierungsfaktor weiterhin mit weniger Eigenkapital unterlegen. Dass nur Institute mit einer Bilanzsumme von weniger als 1,5 Milliarden Euro Erleichterungen bei den Offenlegungspflichten und Meldeanforderungen erhalten sollen, sei aber nicht ausreichend, sagte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon.