Rom. Der lange Wahlkampf für das Referendum über die Verfassungsreform in Italien geht zu Ende. Politiker aus dem "Ja"- und dem "Nein"-Lager richteten am Freitag letzte Appelle an die Wählerschaft. Gerungen wird noch um die vielen unentschlossenen Wähler, die sich für das Endergebnis der Volksentscheidung am Sonntag als entscheidend erweisen könnten.

Die Auslandsitaliener haben bereits gewählt. Laut Medienangaben haben circa 40 Prozent der vier Millionen Wahlberechtigten im Ausland ihre Stimmen abgegeben. Oppositionsparteien hatten zuletzt vor der Gefahr gewarnt, dass es zu Betrug mit der Briefwahl kommen könnte. Die oppositionelle Lega Nord hatte den Einsatz von UNO-Beobachtern gefordert.

Keine Wahlkampfveranstaltungen am Samstag

Premier Matteo Renzi beendet den langen Wahlkampf in seiner Heimatstadt Florenz. Am Samstag dürfen keine Wahlkampfveranstaltungen mehr stattfinden "Ich hoffe auf einen Sieg in letzter Minute. Es war ein schönes Match", betonte Renzi. Er gab zu, dass es im Wahlkampf zu scharfen Tönen gekommen sei, er hoffe jedoch, die unentschlossenen Wähler überzeugt zu haben. "Viele Leute entscheiden in diesen Stunden. Ich rufe sie auf, den Inhalt der Reform zu vertiefen. Es besteht keine Gefahr für die Demokratie, wie unsere Gegner behaupten", so Renzi. Sollte das "Nein" gewinnen, wie laut den jüngsten Umfragen zu erwarten ist, hatte der Premier zuletzt zu verstehen gegeben, dass er zurücktreten würde.

Der italienische Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan sieht keine Gefahr eines "Erdbebens" auf den Finanzmärkten, sollte die "Nein"-Front gewinnen. Der Minister warnte jedoch vor einem Ende des Reformprozesses in Italien, sollte die Verfassungsreform abgelehnt werden. "Ein Sieg des 'Nein' würde die Motoren des Landes lahmlegen und Italien zu einer Phase des Stillstands verurteilen. Dies hätte dramatische Folgen für Italien, das 20 Jahre lang mit gezogener Handbremse vorangeschritten ist", sagte Padoan im Interview mit der Tageszeitung "L'Avvenire" am Freitag. Politische Reformen würden zur Entbürokratisierung und zur Vereinfachung des Landes beitragen. Damit könnte auch die italienische Wirtschaft besser wachsen.

Grillos Finale in Turin

Der Gründer der populistischen Protestbewegung "Fünf Sterne", Beppe Grillo, der für das "Nein" zur Reform buhlt, plant seinen letzten Wahlkampfauftritt in Turin. Der Chef der rechtskonservativen Forza Italia, Silvio Berlusconi, führt einen letzten Wahlmarathon im Fernsehen. "Dieses Referendum ist gefährlich für die Demokratie. Wenn das 'Ja' gewinnt, wird Renzi Herrscher über seine Partei, über den Senat, die Abgeordnetenkammer und über ganz Italien", kritisierte Berlusconi.

Die Italiener stimmen über eine Verfassungsreform ab, die das bisherige System zweier gleichberechtigter Parlamentskammern abschaffen und für mehr politische Stabilität sorgen soll. Die vom Parlament bereits gebilligte Reform gilt als wichtigste Verfassungsänderung in Italien seit 1945. Ihr Hauptziel ist es, die Zuständigkeiten des Senats stark zu beschränken, um die Gesetzgebung zu beschleunigen und zu vereinfachen. Bisher waren Abgeordnetenhaus und Senat gleichberechtigt und blockierten einander oft gegenseitig.

Niedrige Wahlbeteiligung erwartet

Die Wahllokale sind am Sonntag von 7 bis 23 Uhr geöffnet. Da es sich um ein Referendum zur Absegnung einer vom Parlament gebilligten Verfassungsreform handelt, ist anders als bei anderen Volksbefragungen in Italien kein Quorum notwendig. Mit Wahlergebnissen wird in der Nacht auf Montag gerechnet. Erwartet wird eine relativ niedrige Wahlbeteiligung. Trotz des monatelangen und sehr scharfen Wahlkampfs gilt der Inhalt des Referendums über die Änderung breiter Teile der Verfassung als sehr technisch und könnte viele Wähler von den Urnen fernhalten.