Zum Hauptinhalt springen

Attentat stellt Polizei vor Rätsel

Von WZ Online

Politik

IS bekannte sich zu Anschlag auf Istanbuler Nachtclub, Schütze entkam.


Istanbul. Das neue Jahr beginnt, wie das alte endete - mit einem Terroranschlag. Ziel war diesmal nicht ein Weihnachtsmarkt in Berlin sondern ein Nachtclub in Istanbul. Zum Anschlag bekannte sich der IS. Der flüchtige Täter sei ein "heldenhafter Soldat des Kalifates", erklärte die Terrororganisation via Messaging-Dienst Telegram. Der IS begründete den Anschlag damit, dass die Türkei "Schutzherrin des Kreuzes" sei. Das Blut von Muslimen, das mit Hilfe von Flugzeugen und Artillerie vergossen werde, entfache nun in der Türkei ein Feuer.

Auch Österreicher im Club

Die türkische Polizei tappt vorerst im Dunkeln, von dem Täter fehlt jede Spur. Am Montag wurden zwar acht Verdächtige festgenommen, der Attentäter selbst war aber offenbar nicht darunter. Die Sicherheitsbehörden gehen nun Hinweisen nach, die auf einen Zusammenhang mit einem Anschlag im Sommer hindeuten. Laut einem Zeitungsbericht wird eine Verbindung zu jener IS-Zelle untersucht, die den Anschlag auf den Atatürk-Flughafen im Juni mit 47 Toten verübt haben soll. Die Polizei mutmaßt zudem, dass der Attentäter, der Sonntagfrüh mit einem Gewehr in das beliebte Lokal "Reina" am Bosporus gestürmt war, aus Kirgisistan oder Usbekistan stammen könnte.

Der Flüchtige hatte das Feuer auf Gäste des Promiclubs eröffnet und mindestens 39 Menschen erschossen, darunter viele Ausländer. Österreicher wurden nicht verletzt oder getötet. Es seien zwar Österreicher im Club anwesend gewesen, sie wären aber unverletzt, so Außenminister Sebastian Kurz.

26 Tote kamen aus dem Ausland, elf der identifizierten Opfer waren türkische Staatsangehörige. Zwei kommen aus Deutschland, ein weiterer habe zusätzlich die belgische Staatsangehörigkeit gehabt, hieß es von den türkischen Behörden.

Bei dem Opfern aus Deutschland handelt es sich um zwei gebürtige Türken, die in Deutschland ihren Wohnsitz hatten. Einer soll sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit haben, beide wohnten in Bayern und werden nun in der Türkei beigesetzt.

Gezielte Kopfschüsse

Laufend werden Details zum Ablauf des Terroranschlags bekannt: Nachdem der Attentäter in den Nachtclub eingedrungen war, soll er sieben Minuten lang auf die Menschenmenge gefeuert und 180 Schüsse abgegeben haben - es wurden am Tatort sechs leere Magazine gefunden. Zum Tatzeitpunkt waren rund 600 Personen im Lokal. Zeugen zufolge benutzte der Täter ein Schnellfeuergewehr und rief "Allahu akbar" (Allah ist groß). Opfer, die bereits am Boden lagen, soll er durch gezielte Kopfschüsse getötet haben.

Der Täter, der ein grünes Hemd, dunkle Hosen und schwarze Stiefel trug, ist laut Ermittlungen mit einem Taxi aus dem Stadtteil Zeytinburnu eingetroffen. Wegen des dichten Verkehrs in Ortaköy, wo der Club liegt, sei er ausgestiegen und die letzte Strecke zu Fuß gegangen, berichten türkische Medien. Der Angreifer soll im Umgang mit seiner Waffe professionell gewirkt haben. Er ging im "Reina" zunächst nach oben, bevor er in das untere Stockwerk zurückkehrte. Zuletzt waren auch Aufnahmen von Überwachungskameras aufgetaucht, auf denen der Täter zu sehen ist. Von einer vor dem Nachtclub installierten Überwachungskamera ist eine Person mit Rucksack zu sehen, die offenbar auf einen Polizisten schießt.

Der Mann konnte im Chaos unerkannt entkommen. Laut Augenzeugen war er in die Küche des Lokals gegangen, wo er rund 13 Minuten geblieben sei, die Kleidung gewechselt und seinen Mantel zurückgelassen habe. Dann soll er per Taxi den Ort des Attentats verlassen haben.

Die Türkei wird immer wieder von Anschlägen des IS und kurdischer Extremisten erschüttert. Die Streitkräfte des Nato-Staates versuchen derzeit in Nordsyrien, Aufständische des IS und kurdischer Gruppen von der Grenze zurückzudrängen. Bei der jüngsten Offensive wurden nach Angaben der Armee 22 Dschihadisten unter anderem durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss getötet. Die Behörden gehen auch in der Türkei verstärkt gegen die Dschihadisten vor. So seien innerhalb einer Woche 147 Verdächtige wegen mutmaßlicher Verbindungen zum IS festgenommen worden, hieß es. Gegen 25 von ihnen seien Haftbefehle erlassen worden.

Islamisten in Rage

Ankara will in Syrien unter anderem die vom IS beherrschte Stadt Al-Bab einnehmen und belagert den Ort gemeinsam mit verbündeten Rebellengruppen. 200 Kämpfer des IS sollen dabei getötet worden sein, mindestens 17 türkische Soldaten kamen ums Leben. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zuletzt angekündigt, den IS auch aus der Hochburg Raqqa zu vertreiben.

Ankara hat zuletzt seine militärischen Bemühungen in Syrien massiv verstärkt, was Islamisten in Rage bringt. Immerhin hat die Türkei bis vor Kurzem noch stillschweigend Waffentransporte über ihre südliche Grenze in Richtung des IS zugelassen.

Der zunehmend autoritär regierende türkische Präsident kündigte nach dem jüngsten Anschlag an, weiter entschlossen gegen den Terrorismus zu kämpfen: Die Türkei werde alles tun, um "die Sicherheit und den Frieden ihrer Bürger zu gewährleisten". Aber auch Kritik an Erdogans Syrien-Politik dürfte jetzt lauter werden.