Budapest. Schon seit geraumer Zeit gilt es als ausgemacht, dass der Sieg Donald Trumps in den USA für die Rechtspopulisten Europas die Hemmschwelle weiter senken werde. In Ungarn hat das jetzt der Fraktionsvize der alleinregierenden Fidesz, Szilad Németh, in einer Drohrede gegen die regierungskritische Zivilgesellschaft bestätigt: Die "Schein-Zivilorganisationen", die vom US-Investor und Philanthropen George Soros gefördert werden, müssten "mit allen Mitteln zurückgedrängt und von hier weggeputzt werden", sagte Németh. Diese Nichtregierungsorganisationen (NGO) hätten das Ziel, "den nationalen Regierungen das globale Großkapital und die Welt der politischen Korrektheit aufzuzwingen."

Soros fördert über eine Stiftung in seiner früheren Heimat unter anderem das Budapester Open Society Archive. Ausdrücklich stellte Nemeth klar, dass er für einen solchen Feldzug günstige "internationale Möglichkeiten" sehe – und damit die Machtübernahme Trumps meine.

Lange hatten die USA als einer der wenigen Kritiker gegolten, vor dem Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orbán Respekt hatte. Er war einer der ersten Europäer, die Trump nach dessen Wahlsieg enthusiastisch gratulierten. Es war klar, dass Orbán sich durch den Washingtoner Gegner der vermeintlichen politischen Korrektheit Rückenwind für die eigene autoritäre Politik erhofft. Auch hatte Orbán Soros zum Hauptfeind für das Jahr 2017 erklärt. Aber für das Verb "wegputzen" musste nun Németh ran, Orbáns Mann fürs Grobe. Orbáns Sprecher Zoltán Kovács bestätigte der Agentur Reuters, dass Németh mit seiner Kampfansage die Regierungslinie vertreten habe.

Der 52-jährige Nemeth hatte sich als Kind einer bitterarmen Arbeiterfamilie zum Lehrer, Politiker und Günstling Orbáns hochgearbeitet. 2012 soll er gar zu einem Gebet für Orbán aufgerufen haben. Im vergangenen Herbst sprach Nemeth bei der Schließung der Oppositionszeitung "Népszabadság" aus, was seine Parteifreunde nicht laut sagen wollten: Er werde der Zeitung "keine Krokodilstränen nachweinen", es sei "höchste Zeit" gewesen, sie zu schließen. Das linksliberale Qualitätsblatt war im Oktober von seinem damaligen Besitzer, der VCP des österreichischen Geschäftsmanns Heinrich Pecina, überfallartig stillgelegt und später an eine regierungsfreundliche Firma verkauft worden. Die Zeitung existiert nun nicht mehr. Die wenigen verbliebenen unabhängigen Medienorgane Ungarns bangen um ihre Zukunft – Gerüchte kursieren, denen zufolge Pecina für künftige Liquidierungen als Strohmann vorgesehen sei, ähnlich wie im Fall "Népszabadság".

Was genau die Regierung mit den kritischen NGOs vorhat, hat sie noch nicht bekanntgegeben. Klar ist nur, dass es laut Arbeitsplan des Parlaments im ersten Halbjahr eine Novelle des NGO-Gesetzes geben soll.
Szilard präzisierte am Mittwoch, dass man speziell das ungarische Helsinki-Komitee, Transparency International und den Bürgerrechtsverein TASZ im Visier habe. TASZ (Hungarian Civil Liberties Union) engagiert sich als Rechtsberater etwa für benachteiligte Roma. Bekanntester TASZ-Anwalt ist der charismatische Organisator der Massendemos gegen Orbán, Péter Juhász, der jetzt für die kleine linke Partei Együtt im Parlament sitzt.

Bürokratische Schikanen

Befürchtet wird in NGO-Kreisen die Einführung weiterer bürokratischer Schikanen. Der Verein Ökotars, der die norwegischen EEA-Subventionen in Ungarn koordiniert, geriet bereits 2015 ins Visier der Behörden, weil die Regierung nach Kontrolle über die Geldflüsse aus Norwegen trachtete. Die Hausdurchsuchungen bei Ökotars und die zeitweise Einfrierung der Steuernummer wurden später vom Gericht für unrechtmäßig befunden. Hält Ungarns Justiz auch dem künftigen Feldzug gegen Bürgerrechte stand?
In populistischer Manier präsentierte Nemeth nun wieder vulgärdemokratische Vorstellungen aus dem bekannten Arsenal Orbáns, wonach eine gewählte politische Kraft die alleinige Deutungshoheit über das Gemeinwohl habe. Die Soros-finanzierten NGOs würden sich ohne jede politische Legitimation in die Politik einmischen, wetterte er. Sie würden es darauf anlegen, die Politik zu beeinflussen, ohne sich Wahlen zu stellen. Das stimmt. Aber ist es verwerflich? Schon Mitte der 1980er Jahre bedachte Soros die heutigen Fidesz-Spitzenpolitiker mit Stipendien, als deren Aufstieg noch lange nicht in Sicht war, darunter Orbán selbst. Heute ein erklärter Gegner des Liberalismus, hörte Orbán damals liberale Philosophie – 1988, im Pembroke College zu Oxford.