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Keine Trippelschritte

Von Anja Stegmaier

Politik

Russland ist gegen die von Sebastian Kurz vorgeschlagene schrittweise Lockerung der Sanktionen.


Kiew/Moskau. Sebastian Kurz besuchte im Rahmen des angetretenen OSZE-Vorsitzes erneut die Ukraine und auch erstmals Moskau. Bereits Anfang Jänner startete der Außenminister den Auftakt des Vorsitzes mit einem Besuch eines Grenzkontrollpunkts gemeinsam mit seinem ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin zwischen dem der ukrainischen Armee kontrollierten Gebiet und dem von den (pro)-russischen Separatisten kontrollierten Südosten des Landes.

Kurz kündigte an, heuer besonders drei Prioritäten setzen zu wollen. Neben der Bekämpfung der Radikalisierung und dem Wiederherstellen von Vertrauen sollen vor allem bestehende Konflikte im OSZE-Raum entschärft werden. Und insbesondere jener in der Ostukraine soll heuer Schwerpunkt der Organisation sein. Dazu führte er unter anderem Gespräche mit den Außenministern der Ukraine und Russlands.

Klimkin und Kurz setzten beim Treffen am Dienstag in Kiew einen besonderen Akzent auf die Befreiung ukrainischer Kriegsgefangenen und Geiseln. Der ukrainische Außenminister forderte eine noch stärkere Beobachtermission im Land sowie garantierten freien Zugang in das Konfliktgebiet. Beide Minister waren sich einig, dass die Beobachtermission der OSZE erweitert werden soll und technisch aufrüsten müsse, um die zahlreichen Vergehen gegen die vereinbarte Waffenruhe beobachten und dokumentieren zu können. Darüber hinaus möchte die Ukraine, dass eine bewaffnete Mission der OSZE installiert wird, um die Abstimmung über den Sonderstatus des Donbass sicher, frei und fair durchführen zu können.

OSZE-Beobachtermission

In Moskau wiederholte Kurz bei Lawrow am Mittwoch seine "Top Drei" für dieses Jahr und betonte, dass die OSZE eine gute Zusammenarbeit mit Russland brauche. Er nahm den Kreml bezüglich der Entschärfung des Ukraine-Konflikts aber auch in die Pflicht, "Moskau hat hier Verantwortung und kann einen Beitrag leisten." Lawrow wie Kurz bekräftigten die guten bilateralen Beziehungen ihrer Länder, und in dem Gespräch mit den jeweiligen Delegationen konnte offenbar ein kleiner Verhandlungserfolg erzielt werden. So ist Russland laut Lawrow bereit, die OSZE-Beobachtermission zu stärken und auszubauen. Zum einen technisch, aber auch personell; bisher verfügt die Special Monitoring Mission (SMM) in der Ukraine über 700 Mitarbeiter - Verwaltung inklusive. Darüber hinaus soll die Beobachtung künftig rund um die Uhr ermöglicht werden - zumindest an bestimmten Standorten wie etwa Munitionsdepots - und nicht, wie bis dato, nur tagsüber. Denn die meisten Kampfhandlungen finden in der Nacht statt, wenn die Beobachter abziehen. Die ukrainische Forderung einer bewaffneten OSZE-Polizei lehnte Lawrow jedoch streng ab. Sie widerspreche den Minsker Vereinbarungen, so der russische Außenminister. Er gestand den Beobachtern im Feld jedoch das Mitführen von Schusswaffen zum persönlichen Schutz zu.

Kurz’ angekündigte Strategie, eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland Zug um Zug einzuführen, kam in Moskau jedoch weniger gut an. "Wir haben nicht vor, jemandem Avancen zu machen", sagte Lawrow. Moskau sieht ebenso wie Kiew den ersten Schritt bei der jeweilig anderen Partei des Konflikts. Wie Klimkin am Dienstag behauptete, dass Russland den Waffenstillstand nicht einhalte und deswegen weitere Schritte nicht gesetzt werden könnten, betonte Lawrow am Tag darauf, dass es nun zunächst an der Ukraine liege, etwa dem Donbass den Sonderstatus zuzugestehen. In allem sind sich die Betroffenen des Konflikts aber einig: Mit der OSZE-Beobachtermission habe sich die Lage verbessert.

Der Krieg in der Ostukraine, der offiziell keiner ist, dauert bereits seit knapp drei Jahren an. Ziel der OSZE-Mission ist es, die Situation der Menschen im Krisengebiet zu verbessern und erträglicher zu machen. Allein im vergangenen Jahr starben laut SMM offiziell 91 Zivilisten, 344 wurden verwundet. Rund 2,5 Millionen Ukrainer sind von ihrem Zuhause geflohen, drei Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Und das in einem Gebiet, das zu Zeiten der Sowjetunion als eines der reichsten galt.