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Große Härte, kleine Zugeständnisse

Von Siobhán Geets

Politik

Parlament in London darf über endgültigen Brexit-Deal abstimmen - Rebellion ist unwahrscheinlich.


London/Wien. Theresa May kann es nicht schnell genug gehen. Die britische Premierministerin hat das Parlament in London aufgefordert, das Brexit-Gesetz in der zweiten Phase der Debatte keinesfalls zu blockieren. Westminster berät derzeit über den Gesetzesentwurf, der May die Vollmacht geben soll, um den EU-Austritt einzuleiten. Eine erste Hürde hat das Gesetz im Unterhaus bereits genommen. Eine zweite Abstimmung soll heute, Mittwoch, stattfinden. Mays Sorge: Die Prozedur im Parlament könnte den Austrittsprozess verzögern. Immerhin will sie Artikel 50 bis Ende März auslösen - und damit den Austrittsprozess des Vereinigten Königreichs aus der EU starten.

Doch die Sozialdemokraten von Labour und oppositionelle Abgeordnete haben dutzende Änderungsanträge für den Gesetzestext eingebracht. Sie fordern mehr parlamentarischen Einfluss im Brexit-Prozess, Klarheit über die Rechte der EU-Bürger im Land, weiteren Zugang zum europäischen Binnenmarkt und eine parlamentarische Abstimmung nach den zweijährigen Verhandlungen mit Brüssel.

Labour gespalten

Zumindest in letzterem Punkt gab es am Dienstag ein Zugeständnis: Beide Kammern des Parlaments dürfen über den endgültigen Deal Londons mit Brüssel abstimmen, bevor er zur Debatte ins EU-Parlament kommt, verkündete Vize-Brexit-Minister David Jones. Zugleich betonte er, dass es ein Zeichen der Schwäche wäre, sollte das Parlament dagegen stimmen - denn dann müsste die Regierung das Abkommen neu verhandeln. Das schloss Jones allerdings aus. Mit der Option "ganz oder gar nicht" ist auch eine Rebellion des Parlaments unwahrscheinlich. Denn selbst, wenn es nach zwei Jahren kein Abkommen gibt, scheidet Großbritannien aus der EU aus. Es wäre dann auf die Handelsregeln der WTO zurückgeworfen - ein Punkt, den auch Jones am Dienstag betonte.

Brexit-Gegner im Unterhaus sind alarmiert, seit May klargemacht hat, ihr Land auf den denkbar härtesten Brexit zusteuern zu wollen. Dazu gehört mit dem Ausstieg aus Binnenmarkt und Zollunion der EU eine Abkehr von Europa, wie es sich nicht einmal Nigel Farage, der Anführer des Brexit-Lagers, erträumt hatte.

Bisher konnten EU-Bürger auch in Großbritannien leben und arbeiten. Das will die Regierung nun ändern. Unklar ist, was mit den rund drei Millionen EU-Bürgern geschieht, die bereits im Land sind. Eine einseitige Zusage Londons lehnt May ab. Sie fordert im Gegenzug eine Garantie für die rund eine Million Briten, die ihren Wohnsitz in der EU haben.

Zwar hat sich beim Brexit-Referendum im Juni 2016 mit 52 Prozent nur eine knappe Mehrheit für den EU-Austritt ausgesprochen. Doch nutzt May dieses "demokratische Mandat", um Kritiker eines allzu harten Brexit zum Schweigen zu bringen: Jeder, der versuche, das Gesetz zu blockieren, setze sich über den Volkswillen hinweg. "Unsere europäischen Partner wollen mit den Verhandlungen beginnen und das will ich auch", sagte sie - und erinnerte daran, dass eine große Mehrheit (498 zu 114 Stimmen) des britischen Parlaments der Regierung bereits vergangene Woche erlaubt hatte, die Austrittsverhandlungen mit der EU einzuleiten. Es geht nun also nur noch darum, ob Westminster Teile des Gesetzesentwurfs ändern oder Zusätze hinzufügen will.

Auch hier konnte May bereits einen Etappensieg verbuchen: Ein Änderungsantrag, der die Premierministerin gezwungen hätte, das Parlament alle zwei Monate über den Prozess zu informieren, wurde mit 333 zu 284 Stimmen abgelehnt. Auch die Forderung Labours, den Vertretungen Schottlands, Nordirlands und Wales ein Mitspracherecht im Deal mit Brüssel einzuräumen, scheiterte. Nach diesen Abstimmungen, dem klaren Votum der Vorwoche und dem Zugeständnis vom Dienstag ist es unwahrscheinlich, dass die Abgeordneten gegen den Willen Mays rebellieren.

Das liegt auch daran, dass Labour, die größte Oppositionspartei, auch in der Brexit-Frage gespalten ist. Deren Chef, Jeremy Corbyn, hatte seine Leute angewiesen, für den Beginn der Verhandlungen zu stimmen. Auch der Schatten-Brexit-Minister Keir Starmer hat angekündigt, dass Labour den Austrittsprozess nicht blockieren werde. Man müsse den Volkswillen akzeptieren, "so schmerzhaft das auch ist". Nur 47 Abgeordnete, das ist rund einer von fünf Labour-Leuten im Parlament, haben sich gegen diese Anweisung ausgesprochen. Das Einzige, was Labour übrig bleibt, ist zu versuchen, die Regierung zu Zugeständnissen zu bewegen - etwa bei der Frage, was nun mit den EU-Bürgern im Land passiert oder ob Großbritannien den Binnenmarkt der EU verlässt.

Debatte über Trump-Besuch

Noch ein weiteres Thema sorgte für hitzige Debatten im Londoner Parlament. Dessen Sprecher John Bercow hat ausgeschlossen, US-Präsident Donald Trump ins Unterhaus einzuladen. Eine Ansprache vor diesem gehöre nicht automatischer zu Staatsbesuchen, sondern sei eine Ehre, die man sich verdienen müsse, sagte Bercow am Montag. "Ich fühle sehr deutlich, dass unsere Opposition gegenüber Rassismus, Sexismus und unser Eintreten für Gleichheit vor dem Gesetz und eine unabhängige Justiz enorm wichtige Erwägungen für das Unterhaus sind", sagte Bercow im Hinblick auf eine mögliche Trump-Rede und fügte hinzu: "Ich würde so eine Einladung nicht aussprechen wollen."

Eigentlich ist der Parlamentssprecher zu politischer Neutralität verpflichtet. Deshalb kam es unerwartet, dass sich Bercow in den Streit um einen geplanten Staatsempfang für Trump einmischte. Zudem brüskiert er damit die Regierung Mays, die den US-Präsidenten bei ihrem Besuch in Washington Ende Jänner eingeladen hatte und deren Tory-Partei auch Bercow angehört.

Zu dem Staatsbesuch mit zeremonieller Würdigung gehört auch ein Staatsbankett im Buckingham Palace. Elizabeth II. beim Dinner mit dem verhaltensauffälligen US-Präsidenten? Das wollen mehr als 1,8 Millionen Briten der Queen gerne ersparen. Sie haben eine Onlinepetition unterzeichnet, in der gefordert wird, den Besuch herabzustufen - um die Queen nicht in Verlegenheit zu bringen, wie es heißt. Das Parlament will sich am 20. Februar nochmals mit dem Thema befassen.