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Marsch ins militärische Kerneuropa?

Von Christa Hager

Politik
Der Buchumschlag stammt aus der Feder des Karikaturisten Gerhard Haderer.
© Gerhard Haderer, Roithner

Politologe Roithner setzt sich in seinem aktuellen Buch mit der Sicherheitspolitik der EU und Österreichs auseinander.


Es ist ein ungewohntes Bild: Seit kurzem sind Soldaten im Stadtbild von Wien präsent. Sie bewachen unter anderem diplomatische Vertretungen. Aber nicht nur das. Soldaten begleiten Häftlingstransporte, und Flugzeuge des Bundesheeres schieben Flüchtlinge ab.

Die Tendenz zur "Versicherheitlichung" ziviler Politikbereiche und damit verbunden die Ausweitung der militärischen Kompetenzen steht im Mittelpunkt des aktuellen Buches "Märkte, Macht und Muskeln. Die Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs und der Europäischen Union" des Politikwissenschafter Thomas Roithner. "Beim Blättern in den Gratis-Zeitungen entstand in den letzten Wochen beinahe der Eindruck, das Regierungsprogramm wäre zur Sicherheitsdoktrin geworden", so der Autor.

Der Ruf von Teilen der militärischen und politischen EU-Behörden nach einer Euro-Armee ertönt vor allem in Krisenzeiten. Man blinkt in Richtung "sozialere EU", aber biegt in Richtung "Militärmacht" ab, so Roithner. Aber welche Vorschläge gibt es auf dem Weg von einer Sicherheitslogik zu einer Friedenslogik? Wo sind neutrale Brückenbauer nötig und wie viel Militär braucht eigentlich der Friede?

Sicherheitslogik

Friedens- und Sicherheitspolitik werden oft gleichgesetzt. Roithner differenziert und verdeutlicht am Verhältnis zwischen EU und Russland, dass Friede bedeutend mehr ist, als militärisch nicht bedroht zu werden. Auf seinem Weg von der heutigen Sicherheitslogik zu der von ihm angedachten Friedenslogik macht der Autor eine Reihe von Vorschlägen. Entgegen der aktuellen Entwicklung schlägt er beispielsweise einen Rückbau des Bundesheeres vor, wobei er genaue Aufgaben benennt, entsprechend begründet und auch das Verhältnis zum völkerrechtlichen Gewaltverbot definiert. Ein "ziviles Kerneuropa" ist ein weiterer Vorschlag, deren Realisierung zwar visionär, ihm aber nicht unmöglich erscheint.

Ein weiterer Schwerpunkt des Buches setzt sich mit nuklearer Abrüstung auseinander. Dies ist besonders aktuell, da – federführend von Österreich betrieben – 2017 Verhandlungen über ein Verbot und die Eliminierung von Atomwaffen auf UN-Ebene beginnen. Träumerei, mag man mit Blick auf Trump und Putin denken. Doch eine breite Mehrheit der Staatengemeinschaft – nämlich 123 – stimmten im Dezember 2016 für einen Verhandlungsbeginn. Wer Friedenspolitik denken will, so das Plädoyer des Autors, darf das Denken nicht an den Grenzen der EU beenden.

Der Friedensforscher hat mit seinem 132 Seiten schmalen Bändchen, bestehend aus seinen journalistischen Beiträgen, eine leicht lesbare und gut verständliche Lektüre zum Thema vorgelegt. Das Gemeinsame an Roithners Vorschlägen ist, dass er zivilen Möglichkeiten den Vorrang einräumt. Vertrauensbildung, Krisenprävention, Abrüstung und Völkerrecht sind die Stichworte. Und zwei Schmankerl mögen nicht unerwähnt bleiben. Ein Spaziergang mit der Hexe Gundel Gaukeley und dem Meisterdetektiv Nick Knatterton durch die Welt der Kriege, Kämpfe und Konflikt und der Buchumschlag. Die Doppelbödigkeit der Sicherheitspolitik hat der Linzer Karikaturist Gerhard Haderer illustriert.

Thomas Roithner: Märkte, Macht und Muskeln. Die Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik Österreichs und der Europäischen Union, Verlag MyMorawa, 132 Seiten, ISBN 978-3-99057-541-3, Wien 2017, € 12,99