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Der Schulz-Hype hält an

Von Alexander Dworzak

Politik

SPD und CDU/CSU laut Umfragen praktisch gleichauf - Schulz schlägt weitere linke Pflöcke ein.


Berlin/Wien. 100 Prozent Zustimmung erhielt Martin Schulz beim Parteitag der deutschen Sozialdemokraten als neuer SPD-Chef. Davon ist die Partei in aktuellen Umfragen schon alleine aus demokratiepolitischer Sicht zum Glück weit entfernt. Aber die vom Meinungsforschungsinstitut Insa ausgewiesenen 32 Prozent bestätigen den dauerhaften Aufwärtstrend der Genossen. Sie lassen derzeit sogar die konservative Union von Kanzlerin Angela Merkel hinter sich (31 Prozent). Andere Demoskopen wie die Forschungsgruppe Wahlen, Forsa und Emnid sehen hingegen CDU/CSU leicht vorne. Einhellig ist jedoch die Meinung, dass die großen Volksparteien derzeit Kopf an Kopf liegen, die Schwankungsbreite in den Umfragen tut ihr Übriges dazu.

Während Schulz seit Wochen das Thema soziale Gerechtigkeit rauf- und runterorgelt, sehen die Konservativen die Zeit noch nicht reif zum Kontern. "Es ist noch kein Tor gefallen. Das Spiel dauert 90 Minuten", sagt der Fraktionsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, mit Blick auf den Wahltermin 24. September. Selbst Horst Seehofer, der mit Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik so uneins ist, verteidigt diesen Kurs. Man werde sich jetzt intern vorbereiten und inhaltlich festlegen, "nach den Landtagswahlen werden wir dann durchstarten", sagte der bayerische Ministerpräsident zur "Süddeutschen Zeitung". Das hieße Stillhalten bis Mitte Mai, wenn in Nordrhein-Westfalen gewählt wird. So lange will Seehofers vermutlicher Nachfolger, Markus Söder, nicht warten. Die Union müsse wegen des SPD-Umfragehochs selbst mit dem Wahlkampf beginnen, fordert Bayerns Finanzminister.

Schulz schlägt derweil weitere inhaltliche Pflöcke ein. In seiner Parteitagsrede versprach er gebührenfreie Bildung von der Kindertagesstätte bis zum Studium, Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und höhere Zuschüsse für Familien. Bisher dominierte das "Arbeitslosengeld Q" die Agenda des Kanzlerkandidaten. Arbeitslose sollen dieses zur Umschulung und Weiterqualifizierung erhalten. Infolge dessen könnte sich die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld auf bis zu vier Jahre erhöhen. Während die SPD Mehrkosten in Höhe von einer Milliarde Euro sieht, warnt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vor 17 Milliarden Euro Ausgaben pro Jahr. Selbst die Bundesagentur für Arbeit kommt auf 13 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Budgetüberschuss von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland betrug 23,7 Milliarden Euro im Jahr 2016. Hauptsächlich verantwortlich dafür sind die niedrigen Zinsen, wodurch sich die Schuldentilgung des Bundes maßgeblich verringert hat. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erteilte bisher allen Begehrlichkeiten zu Steuersenkungen oder höheren staatlichen Investitionen eine Absage, auch mit Verweis auf Mehrkosten infolge der Flüchtlingsbetreuung.

Nicht an Koalition anstreifen

Die CDU beschränkt sich bisher darauf, die Arbeitsmarkt- und Sozialreformen der Agenda 2010 zu verteidigen - die ausgerechnet der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder angestoßen hatte. Es störe ihn sehr, dass Martin Schulz nun Deutschland schlechtrede, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber in der ARD. Die SPD versucht den Spagat, indem sie sich nicht gänzlich von der Reform lossagt, aber Korrekturen als unumgänglich betrachtet. Damit wildern die Sozialdemokraten im Revier der Linkspartei. Weitere Signale nach links wünschen sich die Jusos, welche die Vermögensteuer im Wahlprogramm sehen wollen. Ende Juni beschließt die SPD ihr Wahlprogramm.

Schon jetzt geht Schulz auf größtmögliche Distanz zur Koalition. Er bleibt dem Koalitionsausschuss am 29. März fern, nimmt stattdessen an einer Feier der SPD-Fraktion im Bundestag teil. Schwarz-Rot quält sich dahin. Dazu zählt auch, dass die SPD nun letztlich ihr Ja zur Pkw-Maut in Deutschland gegeben hat.