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Schulz-Effekt auch an der Saar

Von Alexander Dworzak

Politik
Rehlinger ist dank Schulz im Höhenflug (Bild links), Merkel hofft, dass Kramp-Karrenbauer als Siegerin durchs Ziel geht.

Von der Euphorie um ihren Kanzlerkandidaten profitiert die SPD auch vor der Landtagswahl im Saarland am Sonntag. Die Sozialdemokratin Anke Rehlinger könnte sogar neue Ministerpräsidentin werden.


Saarbrücken/Wien. Annegret Kramp-Karrenbauer muss derzeit gegen gleich zwei Kontrahenten aus der SPD ankämpfen. Die CDU-Ministerpräsidentin im Saarland will bei der Landtagswahl am Sonntag nicht nur ihren Posten gegen die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Anke Rehlinger verteidigen. "AKK", wie Kramp-Karrenbauer genannt wird, hat noch ein größeres Problem namens Martin Schulz: "Das ist eine Landtagswahl und keine vorgezogene Stimmungswahl für den Bund", appellierte die Ministerpräsidentin in der ARD.

Zwölf Prozentpunkte Vorsprung hatte die CDU im Saarland noch Ende Jänner auf die SPD. Dann verkündete deren damaliger Parteichef Sigmar Gabriel, dass er zugunsten von Martin Schulz nicht als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl antreten und den Parteivorsitz abgeben wird. Das Saarland wiederholt seitdem im Kleinen - nur 800.000 Personen sind wahlberechtigt -, was im gesamten Land passiert: Der frühere EU-Parlamentspräsident Schulz hat eine Euphorie unter den Genossen ausgelöst, viele kommen von links und rechtsaußen (Linkspartei und Alternative für Deutschland) zurück, genauso wie verloren geglaubte Nichtwähler. Laut der Forschungsgruppe Wahlen hält die SPD im Saarland mittlerweile bei 32 Prozent und liegt nur noch fünf Prozentpunkte hinter den Konservativen. Die Demoskopen von Insa sehen gar nur zwei Prozentpunkte zwischen den beiden Parteien, die bisher eine große Koalition im Saarbrücker Landtag gebildet haben.

Mit Lafontaines Hilfe

Sollte Anke Rehlinger die SPD am Sonntag nicht an die Spitze führen, hat sie dennoch Chancen, neue Ministerpräsidentin zu werden. Denn die Grünen könnten an der Fünf-Prozent-Marke scheitern. Die liberale FDP schafft die Hürde für den Einzug in den Landtag höchstwahrscheinlich nicht, die Piratenpartei muss von dort sicher wieder Abschied nehmen. Vieles deutet derzeit auf nur vier Parteien im Landtag hin, neben CDU und SPD sind das die Linke und die AfD. Die Rechtspopulisten halten derzeit bei sieben Prozent. Das ist deutlich weniger als 2016 und spiegelt ebenfalls den Bundestrend seit Beginn der Schulz-Euphorie wider. Zudem will niemand mit der AfD koalieren.

Bleibt noch die Linkspartei. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Oskar Lafontaine der SPD das Ministerpräsidentenamt sichern könnte. Jener frühere Vorsitzende, Kanzlerkandidat und Minister, der die Genossen 2005 im Streit verlassen hatte. Seit damals, dem Zusammenschluss der WASG im Westen und der PDS im Osten des Landes zur Linkspartei, ist die SPD bei Bundestagswahlen nie über den zweiten Platz hinausgekommen. Lafontaine, mittlerweile 73, geht für die Linke im Saarland als Spitzenkandidat ins Rennen. Von 1985 bis 1998 amtierte er dort als Ministerpräsident, noch immer zieht "Der Oskar". Den Linken werden 13 Prozent vorausgesagt, deutlich mehr als in jedem anderen West-Bundesland. Einer rot-roten Koalition im Saarland stünde also kaum etwas im Wege. Auch ist das Verhältnis zwischen Lafontaine und SPD-Chef Schulz gut.

Es wäre die erste Koalition zwischen SPD und Linke in einem westdeutschen Bundesland. Die Politiker im Saarland würden damit ihrer Experimentierfreudigkeit treu bleiben: 2009 formierte sich dort die erste "Jamaika-Koalition" aus CDU, FDP und den Grünen. Das Bündnis zerbrach allerdings vorzeitig, 2012.

Unbedankte "AKK"

Geht es nach den Bürgern, bleibt es nun aber bei der großen Koalition. 61 Prozent der Saarländer halten Schwarz-Rot (oder umgekehrt) für eine sehr gute oder gute Sache. Für Rot-Rot können sich lediglich 36 Prozent erwärmen, noch weniger wünschen sich laut ARD-Deutschlandtrend ein Dreierbündnis aus SPD, Linkspartei und Grünen.

Die aktuelle Lage ist für Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer besonders bitter, blickt sie doch auf eine erfolgreiche Legislaturperiode zurück. Ihrem Parteikollegen, Finanzminister Wolfgang Schäuble, hat sie bei Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zusätzliche 100 Millionen Euro pro Jahr ab 2020 abgetrotzt. Auch konnte sie jüngst vermelden, dass der Autobauer Ford 600 Millionen Euro in Saarlouis investieren wird. Kramp-Karrenbauer gilt parteiintern sogar als potenzielle Nachfolgerin, wenn Angela Merkel den CDU-Vorsitz abgibt. Ihre Sympathiewerte sind glänzend, in einer hypothetischen Direktwahl gegen die SPD-Kandidatin Rehlinger würde Kramp-Karrenbauer mit 51 zu 32 Prozent siegen.

Dennoch kann sich die Ministerpräsidentin dem Bundestrend nicht entziehen. Und so steht bereits jetzt ein Sieger fest: Martin Schulz. Sollte es die SPD im Saarland nicht an die Spitze oder ins Ministerpräsidentenamt schaffen, kann der Kanzlerkandidat zumindest die Aufholjagd für sich verbuchen.