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Keine Koalitionsaussagen

Von Alexander Dworzak

Politik
Merkel hat dank des unerwartet klaren Sieges von Kramp-Karrenbauer (r.) Rückenwind.

Nach dem überraschend klaren Sieg der CDU bei der Landtagswahl im Saarland halten sich Union und SPD bei den Konsequenzen für den Bundestagswahlkampf bedeckt.


Saarbrücken/Berlin/Wien. Annegret Kramp-Karrenbauer gilt nicht nur als Vertraute von Angela Merkel, die saarländische Ministerpräsidentin ähnelt der deutschen Kanzlerin auch habituell. Die große Geste ist beiden fremd, auch nach einem Triumph wie bei der Landtagswahl am Sonntag. Tags darauf stand die alte und neue Landesoberste mit Merkel in Berlin auf der Bühne, empfing artig Blumen und Küsschen von der Kanzlerin und sprach von einem "schönen Tag" für die CDU. Für Merkel war das Ergebnis "erst mal so o.k.". Vielmehr richtete sie Blick auf die Bundestagswahl Ende September, bis dahin gebe "durchaus noch viel Arbeit".

Dabei haben die Konservativen die SPD im Saarland so deutlich hinter sich gelassen wie nirgends zuvor prognostiziert. Während die CDU mehr als 5 Prozentpunkte zulegte und die 40-Prozent-Marke überschritt, blieben die Sozialdemokraten unter 30 Prozent. Das ist ein Problem für Martin Schulz - und eine Blamage für die Meinungsforscher. Denn seit Ende Jänner, als der frühere EU-Parlamentspräsident als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl festgestanden ist, kennen die Umfragewerte für die SPD nur eine Richtung: aufwärts. Und zwar im Bund ebenso wie im Saarland.

Abstand wie zu Gabriels Zeit

Doch nicht fünf oder drei Prozentpunkte lagen letztlich zwischen CDU und SPD, wie die Demoskopen der Forschungsgruppe Wahlen und Insa in den vergangenen Tagen prognostiziert hatten. Deren Kollegen von Infratest dimap sahen sogar nur einen Prozentpunkt Rückstand für die SPD. Am Wahltag waren es 11,1 Prozentpunkte, fast so viel wie in Umfragen Ende Jänner. Damals hieß der SPD-Vorsitzende noch Sigmar Gabriel und die parteiinterne Stimmung war miserabel. Niemand traute Gabriel zu, Merkel bei der Bundestagswahl zu schlagen.

Der - auch von der "Wiener Zeitung" für das Saarland - prognostizierte "Schulz-Effekt" ist vorerst verpufft. Schulz tröstete seine Genossen mit den Worten: "Das ist ein Langstreckenlauf und kein Sprint." Ausgerechnet Vertraute Merkels benutzten in den vergangenen Wochen diesen Vergleich. Und zwar, um nervöse Parteikollegen zu beruhigen, die angesichts der SPD-Umfragestärke appelliert hatten, Schulz doch mehr entgegenzusetzen.

Merkel ist nun die große Gewinnerin der Landtagswahl. Zu verdanken hat sie das Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer, deren Beliebtheitswerte doch stärker ins Gewicht gefallen sind als vorab prognostiziert. Acht von zehn Saarländern halten Kramp-Karrenbauer für eine gute Ministerpräsidentin - auch viele Wähler anderer Parteien. Zudem brachte die CDU 28.000 ehemalige Nichtwähler zurück an die Urnen, die SPD schaffte das bei lediglich 13.000 Personen. Die Wahlbeteiligung stieg dadurch von knapp 62 auf 70 Prozent.

AfD viel schwächer als 2016

Gerade bei Nichtwählern schnitt die Alternative für Deutschland (AfD) bei Landtagswahlen 2016 sehr gut ab. Im Saarland votierten aber nur 8000 ehemalige Nichtwähler für sie. Auch standen die AfD-Hauptthemen Flüchtlings- und Integrationspolitik nicht im Zentrum der Diskussion, anders als bei den fünf Landtagswahlen 2016. Bei diesen schnitten die Rechtspopulisten in Sachsen-Anhalt mit 24,3 Prozent am besten ab, nirgends erreichten sie weniger als 12,6 Prozent (Rheinland-Pfalz). Jene 6,2 Prozent im Saarland bedeuten somit einen herben Rückschlag für die AfD.

Das AfD-Minus haben die Meinungsforscher ebenso richtig vorausgesagt wie das Ergebnis der Linkspartei dank der Strahlkraft ihres Listenersten Oskar Lafontaine. Ebenso bewahrheitete sich, dass die Grünen aus dem Landtag fliegen und die FDP den Wiedereinzug abermals nicht schafft.

Aus Landtagswahlen leiten in der Regel deren Sieger bundespolitisches Trends ab, während die Verlierer auf regionale Spezifika verweisen. Ob der SPD-Höhenflug im Saarland nur einen Dämpfer erlitten hat, oder nun ein genereller Abwärtstrend einsetzt, ist derzeit nicht seriös beantwortbar. Den Sozialdemokraten stehen im Mai zwei wichtige Landtagswahlen bevor, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern stellen sie die Ministerpräsidenten, jeweils in einer Koalition mit den Grünen (sowie im Norden auch mit der Partei der dänischen Minderheit). Insbesondere die Wahl in Nordrhein-Westfalen, mit 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsstärkstes Bundesland der BRD, wird für die Sozialdemokraten zum Härtetest.

Hier gibt es also Gegenmodelle zur schwarz-roten Koalition im Bund. Diese Konstellation war auch in den vergangenen fünf Jahren im Saarland an der Macht; und wird es bleiben, da es für Rot-Rot keine Mehrheit gibt. Merkel "riet" der SPD am Montag, sie solle sich zur großen Koalition im Bund bekennen, "nicht schlechtreden, was man gemacht hat". Die Kanzlerin betonte aber, dies sei keine Ansage für die Zeit nach der Bundestagswahl. Schulz, der möglichst wenig an Schwarz-Rot im Bund anstreift, will sich ebenfalls nicht festlegen. Er schließt auch eine Kooperation mit der Linkspartei weiter nicht aus.

Gerechtigkeitsthema zog nicht

Was den sozialdemokratischen Strategen zu denken geben wird: Im Saarland, dem jahrzehntelangen Armenhaus der BRD, zog ihr Wahlkampfthema soziale Gerechtigkeit nicht. 85 Prozent der Bürger dort meinen laut ARD, es gehe ihnen gut. Und sechs von zehn Saarländern denken, es gehe in Deutschland alles in allem gerecht zu. Sollten diese Werte dem Bundestrend entsprechen, hat Schulz ein großes Problem.