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Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Im Zuge des Brexit findet die britische Premierministerin Theresa May jede Außenpolitik akzeptabel, die der Wirtschaft dient. Das freut Saudi-Arabien. Mit dem philippinischen Staatschef Duterte sieht man sich gar durch "gemeinsame Werte" verbunden.


London. Empörung und Proteste begleiteten diese Woche die neuesten Bemühungen der britischen Regierung um eine Reihe höchst umstrittener Handelspartner jenseits Europas. Eine Woche nach Aufkündigung der EU-Mitgliedschaft, klagen Oppositionelle, beginne Großbritannien bereits, seinen guten "europäischen" Ruf in der Welt zu verspielen.

"Schockiert" zeigt sich die Labour Party darüber, wie schnell Premierministerin Theresa May bereit sei, für frische Handelsabkommen "über Menschenrechte hinwegzusehen". Die Liberaldemokraten finden, ihr Land sei auf dem Weg zum Brexit schon jetzt "tief gesunken". Einen "Ausverkauf britischer Außenpolitik" monieren Gegner des internationalen Waffenhandels in London. Und der linksliberale "Guardian" erklärt: "Theresa May gibt für Fantasien Fakten und Freunde preis."

Keine Kritik an Menschenrechtssituation

Die Kritik bezieht sich auf eine breit angelegte Handelsoffensive der Regierung Mays im Nahen Osten sowie in Süd- und Südostasien. Die Regierungschefin selbst hielt sich zum Abschluss lukrativer neuer Vereinbarungen zwei Tage lang in Saudi-Arabien auf. Ihr Minister für Internationalen Handel, Liam Fox, reiste auf die Philippinen, wo er Präsident Rodrigo Duterte bescheinigte, dass diesen "gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen" mit den Briten verbänden. Auf dieser Basis, sagte Fox, könne "unsere Partnerschaft weiter blühen".

Dazu meinte Tom Brake, außenpolitischer Sprecher der Liberaldemokraten: "Duterte ist einer der übelsten Staatschefs des 21. Jahrhunderts - und Fox ist um die halbe Welt geflogen, um im Sand vor ihm zu kriechen."

In der Tat hat Duterte aus seiner Verachtung für Menschenrechte kein Geheimnis gemacht. Menschenrechte seien nur "Dreck" für ihn, hat er gesagt. Unter anderem hat er zur massenhaften Ermordung von Drogenabhängigen aufgerufen und erklärt, er würde sich ohne Weiteres an einer solchen Aktion beteiligen.

Ihm selbst werden jede Menge Gräuel zur Last gelegt. Einen Appell der EU zur Beendigung seines blutigen Anti-Drogen-Feldzugs beantwortete er mit der Beschimpfung der Europäer als "Hundesöhne". Die Vereinten Nationen bezeichnete er als "Blödiane", nachdem sie Kritik an ihm geäußert hatten.

"Wirklich schockierend" nannte Labours Schatten-Handelsminister Barry Gardiner vor diesem Hintergrund Fox’ Deklaration enger Verbundenheit mit Duterte: "Tut mir echt leid, aber gemeinsame Werte mit dem Präsidenten Duterte haben wir wirklich nicht."

In den vergangenen Monaten war Fox, der zum äußersten rechten Flügel der Konservativen zählt, schon wegen ähnlicher Auftritte in Oman, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait angegriffen worden. Kritik an der Menschenrechtssituation in diesen Staaten ersparte sich Fox auf jeder Station seiner Reise - zumindest in der Öffentlichkeit.

"Kulturelle Verbundenheit"mit Ex-Kolonie Indien

Ähnlich zurückhaltend verhielt sich Premierministerin May bei ihrem zweitägigen Besuch in Saudi-Arabien. Die absolute Monarchie gilt als wichtigster Importeur britischer Waffen. Allein seit Beginn der Bombardierung Jemens durch die saudische Luftwaffe, in deren Verlauf mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen, sind Militärverträge im Wert von über drei Milliarden Pfund abgeschlossen worden.

Auf die Frage, ob sie überhaupt noch für eine "moralische" Außenpolitik eintrete, wie sie der frühere Labour-Außenminister Robin Cook einmal gefordert hatte, sagte May: "Die May-Doktrin für Außenpolitik besagt, dass alles, was wir tun, unserem britischen nationalen Interesse dient" - zumal, wenn eine solche Politik zu "Jobs und Wohlstand" fürs eigene Land führe.

Die Premierministerin hatte vom letzten Sommer an fest darauf bestanden, dass sie den Brexit "zu einem großen Erfolg" machen würde und dass Britannien darauf zielen müsse, "über die Grenzen der EU hinaus zu schauen" und "wieder eine wahrhaft globale Nation zu werden".

Regierungskritiker in London sehen darin die Gefahr, dass die Angst vor wirtschaftlicher Isolation und vor Jobverlusten im Zuge des Brexit eine Tendenz zu stummer Akzeptanz harscher "Realitäten" bei Handelspartnern wie Saudi-Arabien oder den Philippinen verstärkt. Schon Anfang des Jahres hatte eine Reise Mays nach Ankara Unbehagen ausgelöst, bei der sich London einen Export-Deal für Kampfjets im Wert von 100 Millionen Pfund gesichert hatte. Auch während dieser Reise, bei einem Empfang im Präsidentenpalast, wurde keine Kritik an der prekären Lage in der Türkei laut.

Der Außenpolitische Ausschuss des britischen Parlaments erklärte im Nachhinein, ein solcher Heißhunger auf "strategische Beziehungen" berge "die Gefahr, dass das Vereinigte Königreich als Staat betrachtet wird, der seine Sorge um Menschenrechte mehr und mehr herabstuft".

Auf Probleme anderer Art stieß Finanzminister Philip Hammond, der diese Woche in Indien bilaterale Zusammenarbeit zu stärken suchte. "Vom Kulturellen her betrachtet", sagte Hammond seinen Gastgebern, "passen das Vereinigte Königreich und Indien ja viel nahtloser zusammen als Indien und die EU." Die indische Regierung wollte vor allem Garantien dafür haben, dass der Zuzug von Indern nach Großbritannien nicht noch weiter erschwert wird.