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Wahlkampf bis zum Ende

Von WZ-Korrespondentin Judith Kormann

Politik
© Judith Kormann

Hollandes schlechte Regierungsbilanz hat die Sozialisten in die Krise gestürzt. Doch die Unterstützer kämpfen.


Paris. "Einfach ist dieser Wahlkampf nicht, aber dafür umso wichtiger", sagt Hugo Guiraudou. Mit breitem Lächeln und einem Stapel Wahlbroschüren geht er auf den Eingang der Pariser Universität Sorbonne Nouvelle zu. Jedem Studenten, der ihm entgegenkommt, drückt er ein Prospekt in die Hand. Seit acht Monaten engagiert sich der 19-Jährige bei der Sozialistischen Jugend. Jeden Tag geht er seit Wochen auf die Straße und macht Kampagne für den Präsidentschaftskandidaten Benoit Hamon. "Ich glaube an sein Programm. Er bietet etwas Neues, das mit dem bisherigen Kurs der Partei nicht vergleichbar ist", sagt Guiraudou begeistert.

Den Großteil der Franzosen kann Hamon, wenn man den Meinungsumfragen glaubt, allerdings nicht überzeugen. Derzeit liegt der Sozialist mit weniger als zehn Prozent der Stimmen auf dem fünften Platz. Chancen überhaupt in die Stichwahl aufzusteigen hat er praktisch keine. Das wissen auch seine Unterstützer. Etwa 300 junge Frauen und Männer werben für den sozialistischen Kandidaten. Vor der Universität Sorbonne Nouvelle sind sie an diesem Nachmittag nur zu viert. Entmutigen lassen sie sich dennoch nicht. "Gewählt wird am 23. April und am 7. Mai - bis dahin ist alles offen", ist der 16-jährige Ethan Werb überzeugt.

Zersplitterte Partei

Der Schüler ist seit knapp einem Jahr Mitglied der Sozialistischen Jugend. Wie einige seiner Kollegen ist Werb der Partei beigetreten, als Benoit Hamon sich für die Vorwahl der Linken aufstellen ließ. Auch Hugo Guiraudou war davor nicht politisch aktiv. "Mit den Politikern, die unser Land derzeit regieren kann ich mich nicht identifizieren", sagt er.

Hamon gehört zum linken Flügel der Partei. Bis 2014 war er Erziehungsminister in der Regierung Hollande, verließ diese aber nach öffentlicher Kritik an dessen Wirtschaftspolitik. Im Wahlkampf tritt Hamon für ein universales Grundeinkommen, eine Verringerung der Arbeitszeit, Visa für Flüchtlinge und die Legalisierung von Marihuana ein. Sein Programm ähnelt in vielen Punkten jenem des Linksaußenkandidaten Jean-Luc Melenchon. Dieser kommt mit seinem provokativen Auftreten als Anti-System-Kandidat bei vielen Franzosen besser an und lässt Hamon farblos wirken. "Wir bekommen häufig zu hören, dass Melenchon die bessere Wahl wäre", so Guiraudou.

Selbst innerhalb seiner Partei ist Hamon geschwächt. Einige Mitglieder des PS haben das Lager gewechselt und unterstützten den aktuellen Favoriten Emmanuel Macron. Auch der frühere Premierminister Manuel Valls gab vor kurzem bekannt, er würde für Macron stimmen. "Eine Frechheit, einem Parteimitglied so in den Rücken zu fallen", empört sich Ethan Werb. Ihn kann der Polit-Shootingstar nicht überzeugen: "Er versucht, etwas Neues mit alten Rezepten zu schaffen. Etwa seine Rentenreform, die hat Alain Juppe (konservativer Bürgermeister von Bordeaux und ehemaliger Premierminister) bereits 1995 auf den Tisch gebracht."

Der Student hofft, vor allem Gleichaltrige für seinen Kandidaten gewinnen zu können. Bei den 18- bis 25-Jährigen schneidet Hamon tatsächlich besser ab. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop rechnete ihm kürzlich 15 Prozent bei den jugendlichen Wählern aus. Damit liegt er gleich hinter Marine Le Pen (29 Prozent) und Emmanuel Macron (28 Prozent). Durch Melenchons polarisierende Auftritte in den TV-Debatten dürften sich diese Zahlen aber etwas verschoben haben.

Quotenkiller Hollande

"Ich stimme sicher nicht für einen Kandidaten des Parti Socialiste, der war doch Hollandes Minister", reagiert eine Studentin empört, als Guiraudou ihr ein Programm hinhält. Nach einem kurzen Gespräch lässt sie sich aber doch eine Wahlbroschüre geben.

"Oft genügt es zu zeigen, dass Hamon Hollandes Kurs nicht fortsetzen will", freut sich der junge Mann: "Man kann den Franzosen nicht verübeln, dass sie einen Wechsel wollen."

François Hollande gilt als Frankreichs unbeliebtester Präsident aller Zeiten. In seine Amtszeit fallen Unstimmigkeiten über Wirtschaftsreformen, drei schwere Terroranschläge sowie zahlreiche Streiks und Proteste. Sein wichtigstes Wahlversprechen, eine dauerhafte Besserung des Arbeitsmarktes, konnte er nicht einlösen. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor auf hohem Niveau.

"Es wird Zeit brauchen, bis die Franzosen der Sozialistischen Partei wieder vertrauen", sagt Guiraudou.