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Fillon glaubt noch an den Sieg

Von WZ-Korrespondentin Judith Kormann

Politik

Konservativer Kandidat hofft auf Wende kurz vor erstem Durchgang der französischen Präsidentschaftswahl.


Paris. Der Konservative zählt kurz vor dem ersten Wahlgang auf eine Rückkehr seiner enttäuschten Wähler. "Ich bitte euch nicht, mich zu lieben, sondern mich zu unterstützen, im Sinne Frankreichs", François Fillons Nachricht an seine Wähler ist deutlich. Wenige Tage vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl glaubt der Republikaner nach wie vor fest an einen Sieg.

In den Umfragen liegt Fillon derzeit auf dem dritten Platz, gleichauf mit dem Linksaußenkandidaten Jean-Luc Mélenchon. Nach den Vorwürfen der Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Penelope und dem gegen ihn eingeleiteten Untersuchungsverfahren hatte der einstige Favorit deutlich an Popularität verloren, konnte aber in den vergangenen Tagen wieder aufholen.

Nur 3,5 Prozentpunkte trennen ihn von dem derzeit Erstplatzierten Emmanuel Macron. Die Chancen in die Stichwahl zu kommen sind also noch gegeben. "Die Lage könnte sich ähnlich entwickeln wie bei der Vorwahl, also zu einem deutlichen Aufstieg Fillons in den letzten Tagen. Da entscheiden sich die Wähler", hofft der Wahlkampfleiter des Republikaners Vincent Chriqui in einem Gespräch mit der Tageszeitung "Le Monde".

"Wähler wütend und aufgebracht"

Auch bei der Vorwahl der Konservativen im vergangenen November hatten die Umfragen den Sieg Fillons nicht kommen sehen, argumentieren seine Unterstützer. Der Präsidentschaftskandidat selbst betont weiter, dass er der Einzige sei, der für einen wahren Wechsel stehe und die nötige Erfahrung für das Präsidentenamt mitbringe. Bei seinen Wahlkampfveranstaltungen spart er nicht mit Kritik an seinen Konkurrenten: Eine Wahl Emmanuel Macrons bedeute eine Weiterführung von Hollandes Kurs und eine Wahl Le Pens einen Sprung ins Ungewisse.

Angesichts dieser zwei Optionen zählt der Republikaner auf eine Rückkehr jener Wähler, die sein Programm gutheißen, ihm aber aufgrund der Skandale um seine Person den Rücken gekehrt haben. "In den Umfragen sagen viele Leute heute ehrlich, dass sie nicht für ihn stimmen werden. Denn sie sind wütend und aufgebracht", sagt Fillons Parteikollege Laurent Wauquiez der Tageszeitung "Le Monde". "Aber dann, letztendlich in der Wahlkabine werden sie doch die Rechte wählen", ist er überzeugt.

Seit Anfang April kann Fillon auch auf die Unterstützung seiner Konkurrenten in der Vorwahl, Nicolas Sarkozy und Alain Juppé, zählen. Bei seinem letzten Meeting in Paris versammelte der Republikaner laut Organisatoren 25.000 Menschen. Das gegen ihn eingeleitete Untersuchungsverfahren schien da nur bedingt zu stören. "Er hat die nötige Erfahrung, um unser Land zu führen", ist die Pariserin Marie-Line Menier überzeugt. Die Buchhalterin war mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern zu dem Meeting gekommen. Die Vorwürfe der Scheinbeschäftigung seien für sie nur "eine Schmutzkampagne der Gegner". "Dreck haben die Politiker doch alle am Stecken", fügt der 18-jährige Enzo Nehmé hinzu. Der Schüler engagiert sich bei den jungen Republikanern im Wahlkampf. Für ihn steht fest: "Ich will den besten Kandidaten für mein Land und der heißt Fillon." Einfach sei die Kampagne allerdings nicht: "Vor allem bei der Jugend haben wir Schwierigkeiten, zu überzeugen", gibt er zu. In dem Pariser Vorort Versailles gehen die Meinungen über den Kandidaten auseinander.

Die Stadt, die außerhalb Frankreichs vor allem für das prunkvolle Schloss Ludwigs XIV. bekannt ist, gilt als eine der Hochburgen der konservativen Wählerschaft. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 stimmten hier im zweiten Durchgang 66,8 Prozent der Wähler für Nicolas Sarkozy. Heute stehen viele vor einem Dilemma. "Eine Katastrophe", seufzt eine ältere Frau, die in der Nähe der Cathédrale Saint-Louis im Stadtzentrum spazieren geht. Sie werde zwar Fillon ihre Stimme geben, glaubt aber nicht mehr an einen Sieg der Rechten. Die 78-Jährige findet sich in den konservativen Ideen des Republikaners wieder, etwa in seiner Ankündigung, das unter Hollande eingeführte Adoptionsrecht für homosexuelle Paare neu verhandeln zu wollen. Sollten im zweiten Durchgang Macron und Le Pen aufeinandertreffen, "dann werde ich wohl ungültig wählen, zum ersten Mal in meinem Leben", sagt sie.

Emmanuel Macron"jung und dynamisch"

Andere Unterstützer haben bereits das Lager gewechselt. "Ich werde für Macron stimmen", sagt der Firmenberater Dominique Mougeolle. Ihm gefielen die Ideen des Zentrumskandidaten schon länger: "Er ist jung und dynamisch und sein Programm ist sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht interessant." Bisher wählte Mougeolle die Republikaner, doch als die Skandale rund um Fillon laut wurden, war dieser für ihn keine Option mehr. "Was mich besonders gestört hat, waren nicht die Enthüllungen, sondern wie er damit umgegangen ist. Das macht einen unehrlichen Eindruck und so einen Präsidenten möchte ich nicht", sagt er.

Ein älterer Mann, der seinem Namen nicht nennen will, widerspricht. Fillons wirtschaftsliberaler Kurs sei der einzige Weg, Frankreich wieder aufzubauen. "Ich werde lieber von einem Chirurgen mit guten Fähigkeiten behandelt als von einem Chirurgen mit gutem Charakter", argumentiert er. Ob die Mehrheit der republikanischen Wählerschaft so denkt, ist allerdings fraglich. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zeigte Anfang April, dass 65 Prozent der Befragten Aufrichtigkeit als eine der wichtigsten Eigenschaften des Staatspräsidenten sehen. Und in diesem Punkt schneide Fillon unter den fünf führenden Kandidaten am schlechtesten ab.