Zum Hauptinhalt springen

Frankreich feiert seine neue Ära

Von WZ-Korrespondentin Judith Kormann

Politik

Tausende Franzosen feiern vor dem Louvre den Wahlsieg von Emmanuel Macron.


Paris. Sie sind wie ein blau-weiß-rotes Meer. Wohin man blickt, weht die Trikolore im Wind. Als um 20 Uhr das Gesicht von Emmanuel Macron auf den Bildschirmen gleich neben der Pyramide erscheint, bricht die Menge in Jubel aus. Die Menschen fallen einander in die Arme, schwenken ihre Fahnen, springen in die Luft, lachen und tanzen. "Macron président, Macron président" hallt es über den Platz.

Tausende sind gekommen, trotz des kühlen Wetters. Sie feiern das neue Frankreich, ein Frankreich, das weltoffen und positiv in die Zukunft blickt. "Ich bin so etwas von erleichtert ", ruft der 25-jährige Mamoudou Diallo. Freudestrahlend hält er seine Frankreich-Fahne hoch. Diallo unterstützt Macron seit einem Jahr. "Ich habe einen Sieg erwartet, aber nicht, dass dieser so klar ausfällt", lacht er. "Wir haben dem Front National gezeigt, dass er bei uns nichts zu suchen hat." Den aktuellsten Daten zufolge konnte Emmanuel Macron 65,8 Prozent der Stimmen erlangen. Nur 34,2 Prozent gingen an seine Gegnerin Marine Le Pen. "Ich hatte bis zuletzt Angst, dass Marine Le Pen gewinnen könnte", sagt die 32-Jährige Marion.

Buh-Rufe für Le Pen

Als Marine Le Pen auf dem Fernsehbildschirm zu sehen ist, erfüllen Buh-Rufe den Platz. Mit Macron hat sich das Land für einen pro-europäischen Kurs und gegen Le Pens nationalistischen Rückzug entschieden. "Ich bin überglücklich", lacht Camille Nobileau. Die 19-Jährige trägt einen Anstecker mit der Aufschrift "Macron président". Sie hatte sich bis zum Schluss vor einem Wahlsieg Le Pens gefürchtet. "Aber Frankreich hat anders gewählt als die USA. Die Optimisten haben gesiegt. Was wir erleben ist ein neuer Start für Europa", sagt sie. Die junge Französin fühlt sich auch als Europäerin. "Ich könnte mir nicht vorstellen in einem Frankreich außerhalb Europas zu leben", sagt sie.

Musiker kommen auf die Bühne, Partymusik erfüllt die Luft. Die Menge tanzt ausgelassen. Ob Jugendliche, Mittdreißiger oder Pensionisten, alle Altersklassen sind vertreten. Zum ersten Mal in der fünften Republik feiert ein Präsident hier seinen Wahlsieg. Ursprünglich wollte Macron auf dem Champs de Mars, der größten freien Fläche in Paris, direkt vor dem Eiffelturm feiern, die Präfektur untersagte dies aber.

Symbolisch ist die Esplanade du Louvre gut gewählt. Sie liegt zwischen dem berühmte Place de la Bastille, wo die Sozialisten François Hollande und François Mitterrand nach ihren Siegen die Massen versammelten und dem Place de la Concorde, der traditionell der Rechten vorbehalten ist. 2012 feierte Sarkozy dort seinen Wahlsieg bevor er in das Nobelrestaurant Fouquet’s zum Essen einlud.

"Ein deutliches Signal dafür, dass Macron für eine Erneuerung steht. Für einen Bruch mit dem alten System", freut sich die 34-jährige Juliana. Sie hat gleich zwei Fahnen mit dabei, eine in jeder Hand. "Die Werte der Demokratie sind wieder hergestellt", jubelt sie "der Extremismus hat keinen Platz bei uns!" Der Sieg des unabhängigen Kandidaten sei ein deutliches Signal an die USA und an Großbritannien. "Wir haben gezeigt, dass es auch anders geht", sagt sie. Für die Rechtsdozentin birgt ein Frankreich mit Macron als Präsident neue Hoffnung. "Er wird viel für unser Land tun", ist sie sich sicher.

Macron: "Seid ihr bereit?"

Der 70-jährige Pierre Chumiatcher teilt diese Überzeugung. Er hat Macron von Anfang an unterstützt. "Ich war bei seinem ersten Meeting am 12. Juli 2016 dabei und sofort von der Qualität der Person beeindruckt", erinnert er sich. Damals hätten seine Bekannten noch alle über ihn gelacht, als er von einem Sieg des Zentrumskandidaten sprach. "Sie dachten, er würde nicht mehr als 10 Prozent der Stimmen bekommen. Und sehen sie uns heute an", lacht er. Für Chumiatcher war Macrons Kandidatur ausschlaggebend für das schlechte Ergebnis der beiden traditionellen Großparteien, der Sozialisten und der Republikaner. "Er ist gebildet, kennt das Bankwesen, war Wirtschaftsminister und bringt frischen Wind in die politische Szene. Natürlich hatte er auch Glück, aber das gehört dazu", sagt der Pensionist.

Schließlich wird über die Bildschirme die Ansprache des frisch gewählten Präsidenten übertragen. Er wolle Frankreich vereinen, ein Präsident aller Franzosen sein, verkündet Macron. Die Menge jubelt. Als Macron seine Ansprache beendet, brüllen die Menschen die Marseillaise. In kurzer Zeit wird der neue Präsident Frankreichs bei ihnen eintreffen. "Seid ihr bereit?", ruft ein Mitglied der Bewegung "En marche" in die Menge. Diese antwortet mit tosendem Beifall. "Wir sind bereit für ein neues Frankreich, für eine neue Ära", ruft ein Mann.