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Bloß kein 0:3 gegen Schulz

Von Alexander Dworzak

Politik

Nach Niederlagen bei den Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein | steht die SPD beim Urnengang in Nordrhein-Westfalen unter Zugzwang.


Düsseldorf/Wien. Martin Schulz ist begeisterter Fußballer. Eigentlich wollte er Profi werden, eine schwere Knieverletzung ließ den Traum jedoch platzen. Aus dem verhinderten Linksverteidiger wurde schließlich der Chef der deutschen Sozialdemokraten. Fußballvokabular benutzt Schulz noch heute gerne, um die politische Lage zu kommentieren. Nach der Niederlage der SPD bei der Landtagswahl im Saarland im März sagte er, die Partei liege 0:1 zurück. Mittlerweile hat die CDU einen Treffer nachgelegt; bei der Wahl in Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag verdrängten die Konservativen die SPD von Platz eins. Diesen Sonntag wählen auch die Bürger in Nordrhein-Westfalen. Für Schulz und Genossen geht es darum, dass die CDU nicht auf 3:0 erhöht.

Tief im Westen ist sozialdemokratisches Kernland: Seit Ende des Zweiten Weltkrieges stellt die SPD mit Unterbrechungen 48 Jahre lang den Regierungschef; so auch die seit 2010 amtierende Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Schulz selbst wurde in Nordrhein-Westfalen geboren, war von 1987 bis 1998 Bürgermeister von Würselen nahe Aachen und betont stets seine Heimatverbundenheit. Dazu kommt die bundespolitische Bedeutung. Nordrhein-Westfalen ist mit mehr als 17 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Bundesland, dortige Landtagswahlen werden als "kleine Bundestagswahl" tituliert. Heuer wird dem Ergebnis im Westen noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt, schließlich sind es die letzten Landtagswahlen vor der Bundestagswahl im September. Verliert Hannelore Kraft, wäre es für das Selbstverständnis der Partei und die Motivation der Funktionäre ein herber Rückschlag.

Hohe Arbeitslosenquote

Ganz zu schweigen, dass sich der Höhenflug von Jänner bis März, genannt "Schulz-Effekt", vollends umkehren könnte. Seit die CDU Ende März die Wahl im Saarland überraschend deutlich gewann, geht es nicht nur mit den Werten von Schulz und der Bundes-SPD bergab. Auch die Genossen in NRW fielen um mehrere Prozentpunkte zurück.

Für die SPD geht es in Nordrhein-Westfalen nur mehr darum, sich irgendwie über die Wahl zu retten. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage kann die Partei nur mit 33 Prozent rechnen. Der Abstand zur CDU würde von knapp 13 Prozentpunkten nach der Wahl 2012 auf 3 Prozentpunkte schmelzen. CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet steht im Gegensatz zu Kraft jedoch nicht unter Siegeszwang. Laut einer am Donnerstag publizierten Umfrage hat die CDU die SPD sogar überholt - erstmals in diesem Wahlkampf.

Denn es läuft nicht rund in Nordrhein-Westfalen: Die Arbeitslosenquote liegt mit 7,5 Prozent deutlich über dem Bundesschnitt von 5,8 Prozent. Das ist der zweitschlechteste Wert aller Bundesländer der alten BRD. Großes Sorgenkind Nordrhein-Westfalens ist und bleibt das Ruhrgebiet, wo der Niedergang von Bergbau und Schwerindustrie noch immer nicht kompensiert werden konnte. Und obwohl Kraft mit ihrem grünen Koalitionspartner die Bildungspolitik zu ihrem Markenzeichen erklärt hatte, gibt nur das Saarland pro Schüler weniger aus als Nordrhein-Westfalen, errechnete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Selbst wenn sich die SPD als stärkste Kraft halten sollte, Rot-Grün steht vor der Abwahl. Denn die Öko-Partei droht 40 Prozent ihrer Wähler von 2012 zu verlieren. Gemeinsam kommen Rot und Grün derzeit laut Umfragen auf lediglich 43 Prozent.

Das Comeback der FDP

Neue dritte Kraft im Lande scheint die FDP zu werden, ihr werden bis zu 13 Prozent vorausgesagt. Das liegt zu einem Gutteil an Spitzenkandidat Christian Lindner. Er ist auch Chef der Bundespartei, die er in der größten Krise der Liberalen übernommen hatte - 2013, nachdem die FDP aus dem Bundestag geflogen war. In den Jahren danach war die FDP jedoch im Düsseldorfer Landtag vertreten, Lindner krempelte von dort aus die Partei um. Er gibt klassischen FDP-Themen wie weniger Bürokratie einen neuen Anstrich, indem er ein "digitales Bürgeramt, in dem man alles von zu Hause aus erledigen kann" fordert. Den Schulen will Lindner überlassen, ob sie zum neun Jahre dauernden Gymnasium zurückkehren möchten oder bei derzeit acht Jahren bleiben wollen. Und er spricht enttäuschte Bürgerliche an, die aber nicht an der AfD anstreifen wollen.

AfD bleibt im Tief

Mit den Rechtspopulisten geht es bergab, seitdem die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr das alles überstrahlende Thema ist. Schon bei den Landtagswahlen im Saarland (6,2 Prozent) und Schleswig-Holstein (5,9 Prozent) war die AfD weit von ihren Erfolgen im vergangenen Jahr entfernt, allen voran jenen knapp 21 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern im September 2016. Schon damals bekämpften einander Spitzenfunktionäre der Bundes-AfD, mittlerweile ist der Konflikt eskaliert. Kräftigen Anteil daran hatte Marcus Pretzell, AfD-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen und Gatte von Co-Parteichefin Frauke Petry. In Nordrhein-Westfalen werden den Rechtspopulisten sieben Prozent vorausgesagt. Wie die SPD blickt auch die AfD derzeit bange Richtung Bundestagswahl.