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Theresa May zieht ihre Grenzen

Von Klaus Huhold

Politik

Großbritanniens Premierministerin stellte das Wahlprogramm der Konservativen vor.


Halifax/Wien. Es war kein Zufall, dass Theresa May ausgerechnet in Halifax das Wahlprogramm der Tories vorstellte. Die Arbeiterstadt mit ihren 80.000 Einwohnern hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs lediglich zwei konservative Abgeordnete ins britische Parlament entsandt, wobei der letzte Wahlerfolg der Tories aus dem Jahre 1983 datiert. Die Stadt in West Yorkshire ist eine klassische Hochburg der Labour Party.

Doch May plant, die Bastionen der Labour Party zu erobern. Sie will dafür einerseits die derzeitige Schwäche der zerstrittenen Sozialdemokraten ausnützen. Andererseits möchte sie offenbar ihre Partei auf eine breitere Wähler-Basis stellen.

Somit war es auch nicht ohne Symbolik, dass May am Donnerstag ein blaues Büchlein mit dem Namen "Konservatives Manifest", das den neuen Leitfaden der Tories darstellt, nicht in prunkvollen Räumlichkeiten in London vorstellte, sondern in einer ehemaligen Mühle, die nun für Veranstaltungen genutzt wird.

Leistung als oberstes Gebot der Tories

Immer wieder sprach sie dabei davon, dass sie nicht "für die paar Privilegierten" Politik machen wolle, sondern für die "Menschen, die arbeiten". Jeder solle in Zukunft die gleichen Chanen haben und so weit kommen, "wie ihn Talent und harte Arbeit bringen" - und dabei sollen Geschlecht, sexuelle Orientierung und Hautfarbe keine Rolle spielen.

Die Tories als die Partei der Leistungswilligen - das war der rote Faden in Mays Auftritt, mit diesem Narrativ zieht sie in die Parlamentswahl am 8. Juni. In konkrete Politik umgemünzt bedeutet das laut den Mayschen Ankündigungen: Familien sollen künftig weniger Steuern zahlen, auch die Unternehmenssteuern sollen auf 17 Prozent gesenkt werden, zudem sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen bis 2022 gebaut werden, um das Wohnen leistbarer zu machen.

Die Partei der sozialen Wärme sind die Konservativen freilich auch unter den Nachfolgern von Margaret Thatcher nie gewesen. Allein in den vergangenen fünf Jahren seien in den Lokalverwaltungen 4,6 Milliarden Pfund (5,3 Milliarden Euro) an sozialen Leistungen gekürzt worden, klagte die Labour-Politikerin Barbara Keeley gegenüber dem "Guardian".

Es waren jedenfalls große Versprechungen, die May machte, und sie scheute auch nicht die großen Worte. Großbritannien werde "fairer, stärker und wohlhabender" sein. Damit dies aber Wirklichkeit wird, sei eines entscheidend: Wie der Brexit verläuft.

Damit kam May auch zum eigentlichen Grund der vorgezognen Wahlen: Sie erhofft sich eine größere Mehrheit für ihre alleinregierende Partei und damit ein noch stärkeres Mandat für ihre Verhandlungen mit Brüssel. "Stärken Sie mich, um für Großbritannien zu kämpfen", sagte die 60-Jährige. Die Chancen dafür stehen gut: Umfragen zufolge liegen die Tories derzeit klar vor der Labour Party, die gegenüber der EU wesentlich kompromissbereiter ist.

May machte noch einmal ihre Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen klar: Es brauche einen klaren Schnitt, es gebe kein "halb drinnen" und "halb draußen". May strebt ein "umfassendes Freihandelsabkommen" mit der EU an. Sollten die Verhandlungen aber scheitern, ist ihre Devise: Besser kein Deal als ein schlechter Deal.

May will ein möglichst vorteilhaftes Abkommen für die britische Wirtschaft. Und das bedeutet: Möglichst wenige Barrieren für britische Unternehmen bei ihrem Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Gleichzeitig leitet May aber vom Ergebnis des Brexit-Votums den Auftrag ab, den Neu-Zuzug von EU-Bürgern nach Großbritannien einzuschränken.

Warnung von Merkel an Großbritannien

Genau hier könnte es sich spießen. Denn die EU steht derzeit auf der Position: Kein freier Zugang zum Binnenmarkt ohne Personenfreizügigkeit. "Wenn die britische Regierung sagt, die Freizügigkeit der Menschen gilt nicht mehr, wird das seinen Preis haben", sagte erst am Mittwoch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

May hat aber am Donnerstag erneut versprochen, den Kurs in der Einwanderungspolitik zu verschärfen. Betroffen sind dabei aber zunächst einmal Ausländer, die aus Nicht-EU-Staaten kommen. Sie sollen künftig mehr in das staatliche Gesundheitssystem NHS einzahlen.

Zudem werden Unternehmen dem Wahlprogramm zufolge für die Beschäftigung von Fachkräften, die nicht aus der EU stammen, verstärkt zur Kasse gebeten. Seit April müssen sie bereits eine jährliche Abgabe von umgerechnet 1160 Euro pro Facharbeiter zahlen. Der Betrag soll sich nun verdoppeln.

May will keine kleine Brötchen backen. Bei ihrer Rede kam klar zum Vorschein, dass sie den Brexit als Zeitenwende ansieht, der für Jahrzehnte die Weichen für Großbritannien stellt. Während die meisten Wirtschaftsexperten davon ausgehen, dass der Brexit Großbritannien Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand kosten wird, lautet Mays Brexit-Devise, das Ausscheiden aus der Union als Chance zu begreifen.