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Ein Hauch von Eurokrise

Von Ronald Schönhuber

Politik

Italiens Ex-Premier Renzi drängt auf Neuwahlen schon im Herbst.


Rom. Es ist noch keine vier Wochen her, da hat Matteo Renzi jeden Eindruck von Hast oder Eile zu zerstreuen versucht. Es sei auch im Interesse seiner Demokratischen Partei (PD), erst im Februar oder März 2018 zu wählen, sagte Renzi, als er in der von der RAI ausgestrahlten Show "L’Arena" auftrat. Statt sich in vorgezogene Neuwahlen zu stürzen, sei es viel wichtiger, die noch verbleibenden Monate zu nützen, um die drängendsten Probleme Italiens zu lösen.

Doch nun kann es dem ehemaligen Premierminister, der einst angetreten war, das alte Politiksystem Italiens zu "verschrotten", auf einmal nicht schnell genug gehen. Seit Tagen drängt Renzi schon darauf, dass die Abgeordnetenkammer in Rom noch diese Woche die Wahlrechtsreform verabschiedet. Denn mit der raschen Annahme des vorliegenden Gesetzesentwurfs würden die Parlamentarier Italien nicht nur ein modernes Wahlgesetz mit einer Fünf-Prozent-Sperrklausel und einer Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht bescheren. Sie würden auch die Voraussetzung dafür schaffen, dass bereits im September oder Oktober neu gewählt werden könnte. Renzi könnte damit seinen großen Traum verwirklichen und nur zehn Monate nach seinem Rücktritt wieder an die Regierungsspitze zurückkehren.

Aus Sicht seiner Gegner ordnet Renzi, der die PD erst Ende April wieder übernommen hat, diesem Ziel allerdings alles unter. So schließt der 42-Jährige mittlerweile auch eine Wahlallianz mit der rechtskonservativen Partei Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi nicht mehr aus, was besonders im Lager von Justizminister Andrea Orlando, Renzis größtem parteiinternen Rivalen, zu massiven Irritationen führt.

Kritik hagelt es aber nicht nur wegen den Avancen in Richtung Berlusconi. Aus Sicht von Finanzexperten setzt Renzi mit seinem Neuwahlvorstoß auch Italiens Finanzstabilität ohne große Not aufs Spiel. Denn in der Zeit von Spätsommer bis Herbst sollte sich das italienische Parlament eigentlich nicht mit Wahlkampfüberlegungen und Mobilisierungsstrategien beschäftigen, sondern mit der Verabschiedung eines Haushalts, der diesmal noch dazu von besonderer Bedeutung ist. So stehen noch immer jene automatischen Mehrwertsteuererhöhungen ab Jänner 2018 im Raum, die ursprünglich als zusätzlicher Antrieb für mehr Budgetdisziplin eingeführt wurden.

Noch schwieriger als zu Wahlkampfzeiten könnte die Budgeterstellung allerdings nach der Wahl werden. Vielfach wird damit gerechnet, dass die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung des Starkomikers Beppe Grillo und ein von Renzi angeführtes Bündnis trotz des neuen Wahlrechts mit rund 30 Prozent ungefähr gleich stark werden. Damit hätte aber auch keine der beiden Fraktionen genug Stimmen, um alleine regieren zu können, eine lang andauernde Patt-Situation, in der es womöglich weder eine handlungsfähige Regierung noch einen Haushaltsbeschluss gibt, wäre die Folge.

Eine Frage der Zinsen

Ohne ein tragfähiges Budget wären aber wohl auch rasch wieder jene Geister der Euro-Krise da, die man eigentlich schon längst gebannt geglaubt hat. Schon als vor ein paar Tagen die ersten Gerüchte und Spekulationen über Neuwahlen am 24. September auftauchten, gab der Leitindex an der Mailänder Börse um knapp 2 Prozent nach. Die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen stiegen im Gegenzug spürbar an. Mit 2,2 Prozent lagen die italienischen Titel damit 1,9 Prozent über den als besonderes sicher geltenden deutschen Bundesanleihen. Noch einmal deutlich zulegen könnte dieser auch als Spread bezeichnete Risikozuschlag, wenn ab 2018 tatsächlich das Staatsanleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank, das bisher wie ein Schutzschirm für die italienischen Zinsen gewirkt hat, ausläuft. Die steigenden Refinanzierungskosten könnten das Land, das ohnehin schon mit 130 Prozent des BIP verschuldet ist und mit seiner maroden Bankenlandschaft kämpft, aber vollends aus der Bahn werfen.

Ganz kalt dürfte dieses Bedrohungsszenario wohl nicht einmal Renzi lassen. Vor einigen Tagen hat Finanzminister Pier Carlo Padoan nämlich einen Brief mit einem unkonventionellen Vorschlag nach Brüssel geschickt, der es ermöglichen soll, einen Haushaltsbeschluss einfacher und damit doch noch rechtzeitig vor einem Herbst-Wahltermin durchzubringen. In dem Schreiben ersucht Padon die EU-Kommission, 2018 mehr Schulden machen zu dürfen als ursprünglich vereinbart.