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Van der Bellens Drahtseilakt in Budapest

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Österreichs Bundespräsident zu Besuch inmitten der Diskussion um die Schließung von Soros’ Universität sowie dem neuen NGO-Gesetz.


Budapest. Sollte Alexander van der Bellen einen gemütlichen Antrittsbesuch im Zeichen des 150. Jubiläums des Ausgleichs zwischen den Habsburgern und den Ungarn geplant haben, war der Zeitpunkt dafür ungünstig. Noch während der Pressekonferenz des Bundespräsidenten mit seinem ungarischen Amtskollegen János Áder im Sándor-Palast auf der Budaer Burg beschloss das Parlament auf der anderen Seite der Donauein Gesetz, das aus dem Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen (NGO's) als Ungarn-feindliche Vereine brandmarken soll. Auf Journalistenfragendazu meinte der Gast aus Wien nur, er rate der Regierung, die kritische Position der Venedig-Kommission zu diesem Gesetz ernst zu nehmen.

Van der Bellen bemühte sich, Kritik an den Zuständen in Ungarn diplomatisch zu verpacken. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit- "in aller Hergottsfrüh", wie er betonte - hatte sich der Präsident vor seinem Termin bei Áder mit Vertretern ungarischer Universitäten getroffen, darunter auch mit Leitern der von Schließung bedrohten Zentraleuropäischen Universität (CEU). Van der Bellen betonte, dieses Treffen sei zustandegekommen, weil er sich wegen seiner eigenen akademischen Vergangenheit für die Freiheit der Wissenschaft interessiere. Auch legte er Wert auf die Feststellung, dass er wegen seiner eigenen familiären Flucht-Geschichte toleranter über Flüchtlinge denke. Anders als Ungarns Regierung. Das sagte Van der Bellen nicht, aber es war darauf gemünzt.

Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán hatte in diesem Frühjahr ein Gesetz durchgesetzt, das der in aller Welt hoch angesehenen CEU den weiteren Betrieb in Ungarn unmöglich machen kann. Die Attacke gegen die CEU ist ein unverhohlener Angriff auf deren Finanzier George Soros. Der aus Ungarn stammende US-Milliardär ist eine Haßfigur aller Autokraten dieser Welt, weil er Vereine finanziert, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Van der Bellen sprach auch mit Orbán - auf ungarischen Wunsch ohne anschließende gemeinsame Pressekonferenz.

Nachher sagte van der Bellen nach Angaben der Nachrichtenagentur APA, Orbán habe es abgelehnt, mit ihm über das CEU-Problem zu sprechen. "Eine unmittelbare Lösung dieses Konflikts ist nicht absehbar", meinte der Präsident. In Fragen der Migration und der Bewertung des Islam gebe es mit der ungarischen Seite deutliche Meinungsverschiedenheiten: "We agree to disagree", sagte van der Bellen laut APA. Er habe sich für die Belange von SOS-Kinderdorf eingesetzt, zumal diese in Österreich gegründete Organisation auch vom neuen NGO-Gesetz betroffen ist.

Das neue Gesetz sieht vor, dass Vereine, die aus dem Ausland jährlich mehr als 24 000 Euro an Fördergeldern bekommen, sich speziell als auslandsfinanzierte Organisationen registrieren lassen und ihre Finanzen offenlegen müssen. Die Regierung begründete die Notwendigkeit des Gesetzes damit, dass "die Menschen" in Ungarn wissen sollen, welche "von ausländischen Interessen gesteuerte Lobbys" die Regierung kritisieren.

Das Problem liegt aber aus Sicht der Betroffenen gar nicht im finanziellen Transparenzgebot - zumal die meisten auch bisher schon öffentlich über ihre Geldgeber informiert haben. Als diskriminierend wird vielmehrdie Regelung empfunden, der zufolge diese Vereine bei all ihren öffentlichen Auftritten deutlich kennzeichnen müssen, dass sie vom Ausland finanziert sind. Dies wirkt vor allem im derzeitigen politischen Kontext Ungarns wie eine Brandmarkung, erläutert Stefánia Kapronczay, Geschäftsführerin der Bürgerrechtsorganisation TASZ im Gespräch mit der Internet-Zeitung "index.hu". Denn die Begriffe "ausländisch" oder "fremd" gelten im Sprachgebrauch der ungarischen Nationalkonservativen und Rechtsradikalen als Synonym für "ungarnfeindlich". Kaum ein ungarischer Unternehmer, der von Staatsaufträgen oder vom Wohlwollen der Behörden abhängig ist, würde einen so abgestempelten Verein unterstützen, warnt Kapronczay.

TASZ will mit zivilem Ungehorsam und juristischen Schritten gegen dieses Gesetz vorgehen. Geklagt werden soll vorheimischen Gerichten - darunter dem Verfassungsgericht - und vor europäischen Instanzen. Auch TASZ - dessen Hauptfinanzier nach eigenen Angaben Soros' Open Society Foundation ist - hat kein Problem mit der finanziellen Transparenz, sondern mit der Brandmarkung als feindliche Organisation. Schon bisher habe TASZ nicht nur die Geldquellen offengelegt, sondern auch deren Verwendung. Jetzt wolle TASZ diese Daten noch detailreicher veröffentlichen als bisher.

"Wir sind der Überzeugung, dass dies ein repressives Gesetz ist. Sein einziges Ziel ist es, kritische Stimmen und Meinungen, die der Regierungskommunikation widersprechen, zum Schweigen zu bringen", sagte Kapronczay. Im Fall eines Verbots werde TASZ in der Form eines Netzes von Anwaltskanzleien weiter funktionieren, denn: "Die jetzigen Angriffe haben uns nur noch besser zusammengeschweißt. Wir glauben an die Freiheit und Gleichheit".