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Hürden für das dynamische Duo

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Achse Berlin-Paris soll neuen Schwung in die EU bringen - und nährt neue Befürchtungen in manchen Teilen Europas.


Brüssel/Wien. Es war eine Demonstration dessen, wovon im Vorfeld viel die Rede war. Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron nach Macrons erstem EU-Gipfel in Brüssel gemeinsam vor die Presse traten, nahm die viel zitierte Achse Berlin-Paris Gestalt an. An diese werden derzeit so große Hoffnungen geknüpft wie schon lange nicht mehr. Die EU sucht nämlich neuen Schwung, nachdem sie Jahre in erster Linie mit Krisenbewältigung beschäftigt war.

Von einem "Geist neuer Zuversicht" schwärmte denn auch Merkel. Und Macron bezeichnete die Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich gar als eine Voraussetzung für das Funktionieren der Gemeinschaft: Wenn die Nachbarn "nicht einig sind, kommt Europa nicht voran". Diese Zusammenarbeit, die schon bei der Vorbereitung des Spitzentreffens ansetzte, habe sich bei der zweitägigen Sitzung, die am Freitag zu Ende ging, als "wirklich belastbar erwiesen", befand die Bundeskanzlerin.

Doch trotz der Deklarationen zur neuen Einheit boten die Gipfelthemen, die von Brexit-Verhandlungen und Migration über Terrorismusbekämpfung bis hin zu Handelsfragen reichten, genug Stoff für Zwistigkeiten. Die Weigerung einiger osteuropäischer Mitgliedstaaten, Flüchtlinge aufzunehmen, sorgt in Westeuropa ebenso für Verärgerung wie umgekehrt in Osteuropa die französischen Pläne zur Änderung der Regeln zur Entsendung von Arbeitnehmern.

Frankreichs protektionistische Tendenzen flossen aber gleichzeitig in die Debatten um den Freihandel ein. Zu diesem wollte die EU zwar ein "klares Bekenntnis" ablegen - aber kein uneingeschränktes. So setzte sich Paris dafür ein, ausländische Investitionen in strategischen Branchen Europas genauer zu untersuchen. Eine Analyse dazu soll die EU-Kommission liefern.

Deren Präsident Jean-Claude Juncker betonte, dass freier Handel auch fair sein müsse. Das gilt sowohl für die Möglichkeiten von Investoren als auch die Bekämpfung von Dumping, mit dem etwa China die europäische Stahlindustrie unter Druck setzt. "Europa ist und bleibt offen für Geschäfte", erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Aber ebenso müsse die Union vor "unfairen Praktiken" geschützt werden - nicht zuletzt mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Ein Beispiel dafür brachte Merkel: Wenn europäische Unternehmen die Möglichkeit erhalten, sich an öffentlichen Ausschreibungen in den USA zu beteiligen, dann könne US-Firmen dieser Zugang in Europa ebenfalls gewährt werden.

Besorgte Osteuropäer

Dabei bergen schon die Diskussionen um den europäischen Binnenmarkt Konfliktpotenzial - und das nicht nur im Zusammenhang mit den Brexit-Gesprächen, bei denen um die Wohn- und Arbeitsrechte gerungen wird. Auch unter den EU-Staaten selbst gibt es Spannungen. Die Versuche Frankreichs, seinen Markt vor osteuropäischen Arbeitnehmern zu schützen, stoßen auf Sympathie in Österreich, aber auf Unverständnis in Polen und anderen Ländern. In Brüssel hatte Macron die Gelegenheit, dies bei einem Treffen in kleiner Gruppe mit den Amtskollegen aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien zu besprechen.

Doch nähren nicht nur die wirtschaftlichen Ideen aus Paris Sorgen in anderen Teilen Europas. Denn eine erstarkte deutsch-französische Achse könnte eine Richtung vorgeben, der nicht alle folgen können. Polen beispielsweise ist kein Mitglied der Euro-Zone und kann sich bei den angestrebten Reformen kaum beteiligen. Ebenso passen Forderungen nach einer Stärkung der Nationalstaaten und einem Zurückdrängen gemeinsamer EU-Entscheidungen - wie sie in Polen und Ungarn laut werden - nicht zu den Rufen nach mehr Einigkeit innerhalb der Gemeinschaft.

So werden die Debatten um ein Europa der "unterschiedlichen Geschwindigkeiten", wie Merkel es vor einiger Zeit bezeichnet hatte, nicht bald verstummen. Das Konzept lehnen die Ost- aber auch Südeuropäer ab. Die deutsche Bundeskanzlerin verwendet diese Formulierung zwar mittlerweile nicht mehr. Aber auch beim Gipfel sprach sie von möglicher Gruppenbildung, um ein bestimmtes Projekt zu erreichen. Das solle aber nicht den Ausschluss anderer bedeuten.