Ankara. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin soll in der Türkei vom kommenden Schuljahr an nur noch in abgespeckter Form an staatlichen Schulen unterrichtet werden. Das kündigte Bildungsminister Ismet Yilmaz nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu bei der Vorstellung der neuen Lehrpläne an.
Themen wie "Mutation, Auswahl, Adaptation" würden weiterhin im Biologieunterricht vermittelt, sagte der Minister. "Naturgeschichte, Evolutionsbiologie und die historische Entwicklung dieser Theorie" würden dagegen künftig nur noch an Universitäten gelehrt, wo es "einen detaillierteren Biologieunterricht" gebe.
Islamische Glaubensgemeinschaft doch gegen Evolutionstheorie
Der Chef der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ibrahim Olgun, lehnt unterdessen doch die Evolutionstheorie ab, berichtet das "Neue Volksblatt". Erst vorige Woche hatten sich Olgun und ein Sprecher der Türkisch-Islamischen Union in Österreich (Atib) vom Beschluss der türkischen Regierung distanziert, Darwins Evolutionstheorie aus den Schulen zu verbannen. Nachdem der entsprechende Bericht des "Volksblatts" von türkischen Medien übernommen worden war, hagelte es allerdings Proteste türkischer Fundamentalisten die Darwins Theorie als Teufelszeug betrachten. "Türkisch-sprachige Bürger haben das gelesen und waren verwundert, wie kann der Präsident so etwas sagen", so IGGÖ-Sprecherin Sevgi Kircil.
In einer auf Türkisch verfassten Stellungnahme gegenüber dem Online-Portal Havadis.at warf Olgun dem "Volksblatt" "Verleumdung" vor. "Wir verfluchen diesen Bericht", heißt es da unter anderem nach Angaben des Blattes, das vermutet, dass die IGGÖ offenbar eine doppelte Kommunikationsstrategie fährt - eine für die türkischstämmige und eine für die deutschsprachige Öffentlichkeit.
Bekenntnis zu einem "durch Wissenschaft belegten Glauben"
Sprecherin Kircil räumte ein, dass Olguns Aussage missverständlich war. Dessen Bekenntnis zu einem "durch Wissenschaft belegten Glauben" lasse nämlich auch die Interpretation zu, dass er die Evolutionstheorie befürworte. Genau das taten türkische Medien, obwohl das "Volksblatt" nur berichtet hatte, Olgun befürworte die Behandlung der Darwin'schen Lehre im Religionsunterricht - was noch nichts über seine Einstellung zur Theorie an sich aussage.
Kircil riet Olgun: "Er hätte sagen müssen, ich bin persönlich gegen die Evolutionstheorie." So werde das nun auch kommuniziert. Die IGGÖ lehne die Evolutionstheorie ab, schreibt das "Volksblatt". Die Ablehnung der Evolutionstheorie durch die IGGÖ sorgt unterdessen auch in der muslimischen Gemeinde für Kritik. "Ich bin ein überzeugter Muslim", sagt Birol Kilic, Obmann der Türkischen Kulturgemeinde (TKG), "aber ich bin auch überzeugt: Weder Allah noch der Koran sind gegen Darwin."