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Der Aufstand des Unterschätzten

Von Gerhard Lechner

Politik
Strafpredigt gegen die

Präsident Duda legt gegen Kaczynskis Justizreform ein Veto ein - ein politischer Paukenschlag in Polen.


Warschau. Fast zwei Jahre amtiert Andrzej Duda nun schon im Präsidentenpalast in Warschau. Als Rebell gegen die Regierung ist der 45-Jährige dabei kaum aufgefallen - im Gegenteil: Vor allem bei den Gegnern der Regierungspartei PiS, die mit absoluter Mehrheit regiert und aus deren Reihen Duda stammt, war das Prestige des Juristen bisher denkbar gering. Eine schwache Marionette des "Präses" Jaroslaw Kaczynski sei er, hieß es, einer, der sämtliche umstrittene Gesetzesvorhaben des allmächtigen Vorsitzenden der nationalkonservativen PiS gehorsam durchwinkt.

Und jetzt das: Ausgerechnet Duda, der ehemalige enge Mitarbeiter von Kaczynskis Zwillingsbruder Lech zur Zeit von dessen Präsidentschaft; Duda, der von Jaroslaw Kaczynskis Gnaden Präsidentschaftskandidat wurde, stellt sich - so sieht es jedenfalls aus - gegen seinen Erfinder. Mit bebender Stimme verkündete er am Montag, dass er gegen zwei der drei Gesetze der umstrittenen Justizreform, die die PiS im Parlament beschlossen hatte, sein Veto einlegen werde. Staatstragend, zwischen polnischen Fahnen und mit ernstem Blick pochte Duda auf die lange Rechts- und Verfassungstradition in Polen, und er zitierte eine Widerständlerin gegen den Kommunismus, die ihm gesagt habe, sie habe schon einmal in einem Staat ohne unabhängige Gerichte gelebt. Obwohl Duda in seiner Rede auch die Opposition kritisierte, war sie doch in erster Linie eine Strafpredigt für Kaczynski und Regierungschefin Beata Szydlo.

Duda hatte seine Entscheidung erstaunlich rasch gefällt: An sich hätte er noch drei Wochen Zeit gehabt, das Vorhaben zu prüfen. Das Veto des Präsidenten kam auch für viele politische Beobachter überraschend - wie etwa für den Publizisten Adam Krzeminski. "Ich habe gedacht, Duda wird das Gesetz an den Verfassungsgerichtshof weiterleiten und damit gewissermaßen seine Hände in Unschuld waschen", sagte der Kommentator der sozialliberalen Wochenzeitung "Polityka" der "Wiener Zeitung". "Das war aber nicht der Fall. Diese Rede war dezidiert kritisch, eine echte Breitseite gegenüber der Regierung."

Dass Dudas Paukenschlag nur ein taktisches Manöver ist, das dieser mit Kaczynski abgesprochen hat, glaubt Krzeminski nicht: "Das Zerwürfnis mit Kaczynski zeichnete sich schon länger ab", meint der Kenner der polnischen Politik. "Duda wurde von Kaczynski und auch von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz immer wieder brüskiert, ignoriert und faktisch als eine Art ,Zweitliga-Politiker‘ behandelt", sagt Krzeminski. "In Duda muss sich etwas aufgestaut haben. Jetzt hat er Statur gezeigt."

Kaczynski soll toben

Ist Kaczynskis Justizreform, die den Einfluss der Regierung auf die Gerichte erheblich verstärken würde, damit vom Tisch? Noch nicht. Binnen zweier Monate sollen neue Entwürfe vorgelegt werden. Der nationalkonservative Präsident hält Reformen im polnischen Justizwesen ebenfalls für sinnvoll. "Die Änderungen", so Duda in seiner Rede, sollten allerdings "so erfolgen, dass Gesellschaft und Staat nicht gespalten werden." Für Krzeminski ist aber klar, dass selbst wenn die PiS die Gesetze in entschärfter Form durchbringt, deren Vorstellung, "wir haben die absolute Mehrheit und können alles machen", Schrammen abbekommen hat.

Die PiS reagierte auf Dudas Veto zunächst mit Schweigen - und mit einer Krisensitzung. Laut polnischen Medien soll PiS-Chef Kaczynski vor Wut kochen. Ob die Emanzipation von seinem Förderer Duda politisch nutzt, bleibt abzuwarten. Liberale Polen mag sein Schritt beeindruckt haben, seine traditionellen Wähler könnten allerdings von ihm abrücken. Laut Beobachtern nähert sich Duda derzeit der Partei des patriotischen Rockers Pawel Kukiz an.

Brüssel reagiert vorsichtig

Brüssel gab sich zunächst bedeckt. Ein Kommissionssprecher wollte sich auf die Frage, ob Dudas Veto ein positiver Schritt sei, nicht äußern. Am Mittwoch werde weiter beraten. Manfred Weber, der Vorsitzende der EVP im Europaparlament, mahnte, die von Duda geforderten Änderungen an den Gesetzen dürften "nicht nur kosmetischer Natur sein". Auch sein Fraktionskollege Othmar Karas zeigte sich zwar "erleichtert", warnte aber vor einem möglichen "Täuschungsmanöver".